Der Verein „Aktion gegen Arbeitsunrecht“ im Kampf gegen die „Union Buster“

Kriminelle Vereinigungen

Als „Union Busting“ wird das systematische Vorgehen gegen gewerkschaftliche Interessenvertretungen bezeichnet. In Deutschland versuchen Unternehmen mit „Union Busting“ vor allem, Betriebsratsarbeit zu be- oder verhindern, obwohl die Mitbestimmung gesetzlich geschützt ist. Wer sind die „Union Buster“ und warum können sie agieren, ohne rechtlich belangt zu werden?

UZ: Du bist Pressesprecher des Vereins „Aktion gegen Arbeitsunrecht“, der Beschäftigte und Betriebsräte beim Thema „Union Busting“ unterstützt. Was versteht ihr darunter?

Elmar Wiegand: Seit 2014 erforschen wir Union Busting. Zunächst gab es eine Webseite, auf der wir Fälle dokumentiert haben. Dann bekam unsere Initiative ein Eigenleben, wir haben Kampagnen gemacht, Betroffene beraten und sind auf verschiedenen Feldern aktiv, um Betriebsräte zu unterstützen.

Bei Union Busting handelt es sich um die professionelle Bekämpfung von gewerkschaftlicher Organisierung und vor allem Betriebsräten. Wir fokussieren uns auf die betriebliche Ebene. Gewerkschaften können natürlich auch anders bekämpft werden, zum Beispiel durch Aussperrung – das war in den achtziger Jahren ein großes Thema. Ein weiteres Beispiel ist das Tarifeinheitsgesetz, das sich gegen die GDL richtet.

Bei unserer Arbeit geht es vor allem um den Betrieb, wo der Betriebsrat eine zentrale Funktion hat. Die Faustregel lautet, nur wo es diese gibt, gibt es auch offen auftretende Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, weil sie einen besonderen Kündigungsschutz haben. Ansonsten musst du meistens undercover bleiben als Gewerkschaftsmitglied – und als Kommunistin oder Kommunist sowieso.

Koalitionsfreiheit ist zwar gesetzlich verbrieft, ebenso wie Antidiskriminierungsgesetze, aber sie finden dann immer Mittel und Wege, um dich zu kündigen oder selbst zur Kündigung zu treiben.

UZ: Also sind Betriebsräte vor Union Busting geschützt?

Elmar Wiegand: Betriebsratsmitglieder sind im Grunde unkündbar, aber man kann ihnen etwas unterschieben, sie mobben oder versetzen und fertig machen. Ein anderes Mittel sind Drangsalierungen durch Kettenabmahnungen. Es ist auch möglich, das Wasser zu vergiften, in dem sie schwimmen, indem man die Belegschaft gegen sie aufhetzt. Es gibt mannigfaltige Möglichkeiten, um Menschen zur Aufgabe oder zum Zusammenbruch zu treiben. Davor sind auch Betriebsratsmitglieder nicht geschützt.

UZ: Du sprichst von einer „professionellen“ Bekämpfung von Gewerkschaftern und Betriebsräten. Wer sind diese „Union Buster“?

Elmar Wiegand: Früher wurde das im Betrieb von internen Stabsstellen betrieben. So was gibt es immer noch, zum Beispiel bei Amazon oder UPS. Aber meistens sind das heute spezialisierte Wirtschaftskanzleien, die dieses Know-how vorhalten und die dazugehörigen weiteren Dienstleister anheuern wie PR-Berater oder Detekteien. Es wird auch mit Spitzeln gearbeitet, die Anhaltspunkte für Abmahnungen oder Kündigungen liefern oder produzieren, das ist ziemlich vielschichtig.

UZ: Ich kann also eine Kanzlei engagieren und die macht dann das „Rundum-sorglos-Paket“ für die Konzernleitung? Ist das nach dem Betriebsverfassungsgesetz nicht eigentlich illegal?

Elmar Wiegand: Ja, natürlich. Das habe ich kürzlich noch mit Mitgliedern der SPD diskutiert, ob es nötig ist, die Gesetze zu verschärfen, oder ob die Problematik nicht eher darin besteht, dass keine Rechtsdurchsetzung an dem Punkt in der BRD passiert, weil die Staatsanwaltschaften nicht ermitteln.

Ich sehe das so, dass es sich um eine Verabredung zu Straftaten handelt – das sind kriminelle Vereinigungen. Zum Beispiel bei Flink, wo ich als Fahrer acht Stunden gefahren bin und wir versucht haben, einen Betriebsrat zu gründen, was auf ganzer Linie gescheitert ist. Da haben ein Anwalt, die Pressesprecherin und Justiziarin sowie die Geschäftsleitung nach meiner Vermutung gemeinsame Sache gemacht, um den Betriebsrat zu zerschlagen. Das ist an vielen Stellen dokumentierbar, aber es wird eben nicht ermittelt. Die Arbeitsrichter sagen dann, dass ich das behaupten kann, aber es gäbe keine Beweise dafür. Dafür bräuchte es Befragungen und Hausdurchsuchungen, da müsste ganz anders eingestiegen werden, um das zu ermitteln und da besteht bislang kein politischer Wille.

UZ: Gab es das denn schon mal irgendwann? Ein Kollege von der NGG hat mir vor einiger Zeit im Interview erzählt, dass es noch nie eine harte Verurteilung für die Behinderung eines Betriebsrates gegeben hätte. Da wird dann höchstens mal Strafe gezahlt, oder?

Elmar Wiegand: Das höchste, was wir in den langen Jahren gefunden haben, ist, dass Helmut Naujoks, ein ganz berüchtigter „Union Buster“, mal Schmerzensgeld zahlen musste, weil Betriebsratsmitglieder in einem Altenpflegeheim systematisch fertiggemacht und bespitzelt wurden. Das hat ihre Persönlichkeitsrechte verletzt und dafür musste er 20.000 Euro bezahlen. Das sind aber Peanuts. Mit so einem Fall verdienen die 100.000 bis 200.000 Euro an Anwaltshonoraren, ein Betrag von 20.000 ist absolut lächerlich. Richtig verknackt worden ist da auch nach unserem Wissen noch nie jemand. Das wird von Staatsanwaltschaften als Kavaliersdelikt behandelt, so wie früher Steuerhinterziehung in Luxemburg oder Liechtenstein.

Ein weiterer Punkt ist, dass die Richter selber zusammen mit diesen Union Bustern ausgebildet werden. In der juristischen Ausbildung läuft da einiges schief. Die Gerichte verfolgen das nicht, weil sie aus dem selben Stall kommen. Das müssen wir in Zukunft stärker recherchieren. In Berlin ist es ein Trend, dass viele Richter früher für Unternehmerkanzleien gearbeitet haben – das sind sozusagen Seitenwechsler. Die verständigen sich dann augenzwinkernd mit den Union-Busting-Anwälten. Von Stadt zu Stadt ist das aber unterschiedlich. Wir müssen noch stärker erforschen, inwiefern Arbeitsgerichte überhaupt unabhängig sind. Die Arbeitsrichter verdienen sehr viel dazu – das ist der Richterstand mit den höchsten Nebenverdiensten. Dazu gehören Einigungsstellen, aber auch Seminare. Sie schulen Unternehmen und halten vielleicht sogar Vorträge vor eben diesen Union-Busting-Kanzleien. Da ist noch viel Aufklärungsbedarf.

UZ: Also gehört Forschung über diese Zusammenhänge auch zu eurer Arbeit – also Strukturen zu beleuchten?

Elmar Wiegand: Genau damit haben wir angefangen. Wir haben 2014 eine Studie für die Otto-Brenner Stiftung herausgegeben, ein Arbeitsheft mit dem Titel „Union-Busting in Deutschland“. Das war ein großer Erfolg. Das wurde sogar nachgedruckt, war aber sofort vergriffen. Damit haben wir angefangen und das müssen wir auch in Zukunft weiter betreiben.

Arbeitsunrecht FM
Der Podcast der „Aktion gegen Arbeitsunrecht“ ist online abrufbar unter: arbeitsunrecht.de
Die Themen der aktuellen Folge sind unter anderem:
* Amazon – Arbeitsgericht weist Kündigungsschutzklage eines Betriebsratsmitglieds ab
* Rewe – Streikende erkämpfen sich Recht auf Corona-Prämie
* Kaufland – Benachteiligung von Betriebsratsmitgliedern und Streikenden
* Trucker-Streik – Sonderprüfung für Spedition Mazur
Hinweis: Die im Interview erwähnte Broschüre „Union-Busting in Deutschland – Die Bekämpfung von Betriebsräten und Gewerkschaften als professionelle Dienstleistung“ steht online als PDF zur Verfügung.

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"Kriminelle Vereinigungen", UZ vom 29. September 2023



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