Die Dresdner Staatsanwaltschaft will nun erneut gegen den Berliner Antifaschisten Tim H. vorgehen. Dem Berliner Nazigegner war ursprünglich vorgeworfen worden, sich im Jahr 2011 an den Blockaden eines neofaschistischen Aufmarsches in der sächsischen Landeshauptstadt beteiligt und sich damit angeblich des „schweren Landfriedensbruchs“, der „gefährlichen Körperverletzung“ und der „Rädelsführerschaft“ schuldig gemacht zu haben. Die Behörden bezichtigten ihn, mit einem Megafon ausgestattet andere Nazigegner animiert zu haben, eine Polizeikette zu durchbrechen. So soll er angeblich „Kommt nach vorn“ durchgesagt haben.
Zur Erinnerung: Seit 2009 hatte das breite antifaschistische Bündnis „Dresden Nazifrei“ dazu aufgerufen, den bis dato europaweit größten Naziaufmarsch mittels Blockaden zu verhindern. Dies gelang sowohl 2009 als auch 2010 und 2011. Die Polizei war 2011 mit brutaler Gewalt gegen die anwesenden Nazigegner vorgegangen und hatte dabei über eine Million Telekommunikationsdaten gespeichert. Trotz der Kriminalisierungswut der Beamten gelang es den damals anwesenden 20 000 Antifaschisten, wie bereits in den beiden Vorjahren, einen erneuten Aufmarsch von Neonazis zu verhindern.
War Tim H. 2013 im Nachgang zu den erfolgreichen Protesten noch zu einer Haftstrafe von über zwei Jahren verurteilt worden, wurde der Urteilsspruch 2015 in zweiter Instanz aufgehoben und Tim H. einzig zu einer Geldstrafe wegen Beleidigung verurteilt. Wie H.‘s Rechtsanwalt Sven Richwin mitteilte, soll sich sein Mandant ab 21. Dezember erneut vor dem Landgericht Dresden verantworten. Neue Erkenntnisse gibt es hingegen laut Richwin nicht.
Ob die Dresdner Staatsanwaltschaft mit ihrem durchschaubaren Rache- und Kriminalisierungsakt Erfolg haben wird, bleibt fraglich. Zu stark folgte die Justiz im Freistaat in der Vergangenheit schließlich „eigenen Gesetzen“.
Andere Opfer staatlicher Kriminalisierung hatten kürzlich indes Glück: Nachdem die sächsischen Strafverfolgungsbehörden nunmehr über drei Jahre gegen 14 Leipzigerinnen und Leipziger ermittelt hatten, mussten die Behörden das Verfahren einstellen. Ihnen war vorgeworfen worden, Teil einer sogenannten „kriminellen Vereinigung“ zu sein, die Übergriffe auf Neonazis verübt haben sollte.
Ebenfalls auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft Dresden war seit dem 13. November 2013 nach Paragraph 129 StGB gegen die betroffenen Antifaschisten ermittelt worden. Bei neun der Nazigegner wurden infolge des Verfahrens Telefonüberwachungsmaßnahmen durchgeführt.
Hinter dieser Zahl verbergen sich auch „überwachte Anschlüsse von unbeteiligten Dritten, die die Überwachung der Telefonate mit mehreren Beschuldigten beinhalten“, monierte die sächsische Landtagsabgeordnete Juliane Nagel. Eine von Nagel eingebrachte parlamentarische Anfrage brachte außerdem ans Licht, dass vier Personen über mehr als drei Monate observiert worden waren.
„Das aktuelle Verfahren zeigt ein weiteres Mal, wo und wie die sächsischen Behörden ihre Prioritäten legen. Gegen Linke würden alle verfügbaren Geschütze aufgefahren, ob willkürliche Beschuldigungen oder eben maßlose Ermittlungsmaßnahmen“, kritisierte Nagel.