Mark Ellmann über Gewerkschaften, Transformation und Rüstungsproduktion

Kriegswirtschaft – ohne uns!

Mark Ellmann

„Wir müssen fast doppelt so viel für unsere Verteidigung ausgeben, damit Putin nicht wagt, uns anzugreifen“, so Habeck im „Spiegel“. Er fordert, dass Deutschland künftig 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung in „Verteidigung“ steckt. Das sei in der Partei Konsens, so der grüne Vizekanzler. Dass der aktuelle Kriegshaushalt mehr als doppelt so viel Geld frisst wie die Töpfe für Bildung und Forschung, Familie und Senioren, Gesundheit sowie Wirtschaft und Klimaschutz zusammen, dazu sagt Habeck nichts. Grüne und FDP haben sich mit der SPD an der Frage überworfen, wie sie ihren Kriegshaushalt finanzieren können. Die Bundesregierung ist zerbrochen, weil sie den Anforderungen zum Umbau der Gesellschaft hin zur Kriegswirtschaft nicht gerecht wurde.

Dabei herrschte bis dahin große Einigkeit zwischen den Koalitionären. Gemeinsam setzten sie auf Sanktionen statt auf den Vorteil durch günstige Energie aus Russland. Einig waren sie sich bei Strafzöllen gegen ihren „systemischen Rivalen“ China, dem bislang wichtigsten Handelspartner, bis die USA diesen Platz eingenommen haben. Auch Staatsschulden in Form von Kriegskrediten zur Aufrüstung Deutschlands haben SPD, Grüne und FDP einmütig mit Unterstützung der Union beschlossen. Nach einem Bericht von German Foreign Policy hat die scheidende Bundesregierung im Jahr 2024 „fast doppelt so viele Rüstungsprojekte gestartet wie 2023 und Rüstungsexporte in Rekordhöhe genehmigt“.

Die Logik der Kriegswirtschaft zeigt sich schon jetzt darin, dass über die Kriegsfähigkeit der Krankenhäuser debattiert wird, anstatt das kaputtgesparte Gesundheitssystem nach der Corona-Pandemie finanziell und damit künftig auch personell zu stärken. Die Logik der Kriegswirtschaft zeigt sich schon heute darin, dass das Rüstungsunternehmen Rheinmetall das letzte Jahr mit einem Plus von 114,2 Prozent abgeschlossen hat. Kein Wunder, schließlich haben sie im Sommer auch „den größten Auftrag der Unternehmensgeschichte im Bereich der logistischen Fahrzeuge“ bekommen – denn dafür ist Geld da. Die Konzernleitung geht davon aus, ihren Profit bis 2027 noch einmal verdoppeln zu können.

Wenn alle Gelder in militärische Aufrüstung gesteckt werden, dann bleibt nichts mehr für Soziales, Bildung, Gesundheit oder Infrastruktur. Das müsste bei den Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes mit Blick auf die Tarifrunde für die Beschäftigten von Bund und Kommunen Alarmstufe Rot auslösen.

Nicht hilfreich für diese Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst ist es, wenn die IG BCE und Teile der IG-Metall-Führung durch die Umstellung auf die Kriegswirtschaft und den Ausbau der Rüstungsindustrie auf neue Arbeitsplätze hoffen. Die Gewerkschaftsführungen sollten ihre Forderungen nach einem sozialen und ökologischen Umbau der Wirtschaft nicht den Transformationsideologen des Monopolkapitals überlassen, denn damit tragen sie den Umbau zur Kriegswirtschaft mit. Die Debatten um die Einschränkungen des Streikrechts angesichts der aktuellen „Herausforderungen“ sind im vollen Gange. Da heißt es: Zusammenstehen. Zudem werden steigende Rüstungsaufträge weder dringend benötigte Stellen im öffentlichen Dienst finanzieren, noch sichern sie Arbeitsplätze in der Automobilwirtschaft.

Die drohenden Werksschließungen in der Automobilproduktion zeigen hingegen deutlich, wie sehr die außenpolitische Neuausrichtung der Bundesregierung gegen China und Russland gegen gewerkschaftliche Forderungen steht. Frieden mit Russland und China und Schluss mit deutscher Hochrüstung hingegen würde den tarifpolitischen Spielraum vergrößern.

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"Kriegswirtschaft – ohne uns!", UZ vom 10. Januar 2025



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