Berliner Politikberater rechtfertigen Kanonenboot-Diplomatie

Kriegsvorbereitung in Ostasien

Von www.german-foreign-policy.com

Kurz vor Joachim Gaucks mit Pomp veranstalteten ersten offiziellen Besuchs in der Volksrepublik China hat die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) eine Analyse veröffentlicht, die sich mit den Auseinandersetzungen zwischen der Volksrepublik und den USA im Südchinesischen Meer befasst. Die SWP ist das wichtigste politische Beratungsinstitut der Bundesregierung. Seine Aussagen haben damit halboffiziellen Charakter.

Anlass für die Erstellung der Analyse waren vielbeachtete Durchfahrten von US-Kriegsschiffen durch von China beanspruchte Gewässer im Südchinesischen Meer. In der Zwölf-Meilen-Zone übt nach internationalem Recht und Praxis der Küstenstaat volle Souveränität aus. Erklärtes Ziel der US-Operationen war es, die Rechtsauffassung der US-Regierung durchzusetzen, der zufolge Kriegsschiffe die Zwölf-Meilen-Zone jederzeit durchqueren dürfen. Dem steht die Auffassung der chinesischen Regierung entgegen, dass der Küstenstaat eine solche Passage genehmigen, zumindest aber über sie informiert werden muss. Dessen ungeachtet will man in Washington nun schlicht Fakten schaffen: „Ich hoffe weiterhin, dass diese Operationen so alltäglich werden, dass China und andere Anspruchsteller sie als normale Ereignisse hinnehmen“, erklärte der Vorsitzende des Streitkräfteausschusses im US-Senat, John McCain.

In ihrer Opposition gegen US-Provokationen wie diejenigen im Südchinesischen Meer ist die Volksrepublik keineswegs isoliert. „Ähnlich wie China reklamieren auch andere Staaten exklusive Rechte“ in ihrer Zwölf-Meilen-Zone, heißt es in der aktuellen Untersuchung der SWP. In China herrsche ebenso wie in Vietnam, Malaysia, Indien, Iran oder Sri Lanka die Rechtsauffassung, Küstenstaaten dürften militärische Aktivitäten nicht nur in ihrer Zwölf-Meilen-Zone, sondern auch in ihrer Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) regulieren. Wie die SWP berichtet, sind US-Kriegsschiffe in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder gegen den Willen von Küstenstaaten in deren Seegebiete eingedrungen. Betroffen gewesen seien unter anderem Iran, Nicaragua, Ecuador, Vietnam, Südkorea und Taiwan. Laut SWP handelt es sich bei den US-Operationen, auch wenn sie häufig keine große Aufmerksamkeit fänden, „letzten Endes“ um „moderne Kanonenboot-Diplomatie“, was die deutsche Stiftung offensichtlich nicht als Kritik daran verstanden wissen will.

Während es offiziell stets heißt, mit ihrem provokativen Vorgehen nicht zuletzt im Südchinesischen Meer sicherten die US-Streitkräfte lediglich „offene Seewege“ im Sinne des „freien Welthandels“, weist die SWP auf den militärischen Hintergrund der „Freedom of Navigation“-Operationen hin. Wolle man „zum Schutz eines Bündnispartners beispielsweise in Ostasien“ militärisch intervenieren, ohne die Küstengewässer vor den umstrittenen Inseln nutzen zu können, dann müssten die eigenen Streitkräfte sich mit „großräumig im See- und Luftraum erheblich verringerte[n] Einwirkungsmöglichkeiten“ begnügen. „Davon wären schiffseigene Sensoren und Wirkmittel ebenso betroffen wie U-Boote, die nur mehr aufgetaucht solche Gebiete passieren dürften“, konstatiert die SWP – mit „signifikante[n] Auswirkungen auf die Außen- und Sicherheitspolitik der USA und ihrer Verbündeten“ wie auch auf „operative Aspekte der Militärstrategie und -technologie“.

Im Falle der Inseln im Südchinesischen Meer wiegt das umso schwerer, als diese eine nicht unerhebliche Bedeutung für Chinas Landesverteidigung besitzen. Die SWP hat das bereits im Herbst ausführlich beschrieben, als die westlichen Staaten energisch gegen den Bau militärisch nutzbarer Infrastruktur durch die Volksrepublik auf einigen der Inseln protestierten. Man solle den Schritten keine größere Bedeutung für etwaige offensive Militäroperationen Pekings beimessen, hieß es damals, sondern sie als vorwiegend defensive Maßnahmen werten. Die Auseinandersetzungen um die Navigationsfreiheit, die Washington künftig sogar noch häufiger durchführen will, drehen sich also faktisch um die Zulässigkeit militärischer US-Operationen unmittelbar vor Verteidigungsanlagen der Volksrepublik China.

Mit Blick auf die zunehmenden Spannungen auch im Südchinesischen Meer hat erst kürzlich der Präsident der Bundesakademie für Sicherheitspolitik, Karl-Heinz Kamp, zu einem „engere[n] Schulterschluss der westlichen Welt“ aufgerufen. Ein solcher Schulterschluss sei auch deswegen nötig, weil China sich „zu einem Gegengewicht zur bisherigen Ordnungsmacht USA“ aufbaue. Die Ansicht, man solle sich im Fall einer Eskalation des Konflikts auf die Seite der Vereinigten Staaten schlagen, ist im Berliner Establishment immer wieder vertreten worden. Zuletzt plädierte die SWP in einer Studie dafür, sich im Ernstfall nicht neutral zu verhalten, sondern gegenüber China „einen sanktionsbewehrten Dialog“ zu führen: Wirtschaftssanktionen, falls China im Streit nicht nachgebe, bei gleichzeitigem Aufbau massiven Drucks. Das Szenario ähnelt der Aggressionspolitik des Westens gegenüber Russland.

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"Kriegsvorbereitung in Ostasien", UZ vom 25. März 2016



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