Während sich die großen bürgerlichen Parteien gegenseitig in ihrem Streben nach „Kriegstüchtigkeit“ überbieten, wirkt es wie das dringend notwendige Lebenszeichen einer nicht zum Sterben und Töten bereiten Zivilgesellschaft: In der vergangenen Woche haben mehr als 200 Klägerinnen und Kläger eine Popularklage gegen das bayerische Bundeswehrgesetz eingereicht. An der Klage beteiligen sich 17 Verbände und 185 Privatpersonen, darunter mehrere bekannte Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Künstler, Wissenschaftler und Juristen. Gemeinsam wollen sie sich gegen die Militarisierung von Schulen und Hochschulen einsetzen.
Die Klage kommt zur rechten Zeit. Anfang Februar berichteten Medien über erneute Vorstöße von Rüstungskonzernen für die Abschaffung von Zivilklauseln an deutschen Universitäten. Aber nicht nur die Kriegsprofitler Rheinmetall und Hensoldt, auch Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) will die Selbstverpflichtung zur friedlichen Forschung verbieten.
„In Bayern sind Zivilklauseln bereits seit der Einführung des Gesetzes zur Förderung der Bundeswehr im August letzten Jahres verboten. Die Bildungsgewerkschaft GEW in Bayern hat gegenüber dem Gesetzgeber in einer ausführlichen Stellungnahme Argumente gegen dieses Verbot dargelegt, die jedoch keine Berücksichtigung im Gesetzgebungsprozess gefunden haben“, erläuterte die bayerische GEW-Vorsitzende Martina Borgendale die Beteiligung ihrer Gewerkschaft an der Klage.
Doch es geht nicht nur um die Zivilklausel. Das Bundeswehrgesetz verpflichtet Schulen zur Kooperation mit der Bundeswehr. Zuvor konnten Schulleiter und Lehrkräfte selbst entscheiden, wen sie in ihren Unterricht einladen. Nun muss Jugendoffizieren der Raum gegeben werden, um in der Schule für die eigene Weltsicht und Jobs beim Militär zu werben. Die Klägerinnen und Kläger befürchten, dass dadurch auch der kinderrechtswidrigen Rekrutierung von Minderjährigen – wie sie bei der Bundeswehr üblich ist – Vorschub geleistet wird.
Vor Einreichung der Klageschrift beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof luden die Initiatorinnen und Initiatoren zu einer Pressekonferenz. Die ehemalige Landtagsabgeordnete und Anwältin der Popularklage Adelheid Rupp wies auf die Besonderheit der bayerischen Verfassung hin, die ein solches juristisches Vorgehen ermögliche. Man gehe vor Gericht, weil das Gesetz verfassungswidrig sei. „Die Antragsberechtigung der Bildungsgewerkschaft GEW ergibt sich aus dem Umstand, dass Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Hochschulen und Lehrerinnen und Lehrer an Schulen in besonderem Maße von dem neuen Gesetz betroffen sind“, so Rupp.
Julian Mühlfellner von der DFG-VK erinnerte an die starke Tradition der kritischen Friedensforschung in Deutschland: „Wir glauben, dass Forschung und Lehre zur Beseitigung aller Kriegsursachen einen wichtigen Beitrag leisten können und leisten müssen.“ Leider gebe es derzeit jedoch eine „funktionale Hinwendung der Friedensforschung zur Politikberatung, die den vorherrschenden Militarismus, also die Kriegslogik, nicht grundsätzlich infrage stellt.“ Schulen und Hochschulen würden auch ohne Zwang mit der Rüstungsindustrie und der Armee zusammenarbeiten. Diese Ausgangslage werde durch das Bundeswehrgesetz weiter verschlechtert.
Ähnlich sah das auch Tobias Pflüger von der Informationsstelle Militarisierung (IMI). Als Friedensforscher werde er kaum noch in Schulen eingeladen. „Das macht jetzt die Bundeswehr“, höre er öfter. Pflüger stellte den politischen Kontext in den Mittelpunkt. „Das Gesetz ist ein Muster: Bayern fängt wieder mal an und andere Bundesländer sollen folgen.“ Im Zuge der „Zeitenwende“ gehe es um „die Kriegstüchtigkeit der gesamten Gesellschaft“.
Der Schauspieler und Musiker Michael Fitz erinnerte an den breit getragenen Widerstand gegen die Wiederbewaffnung. Heute sei Deutschland der fünftgrößte Waffenexporteur der Welt und so an zahlreichen Kriegen beteiligt. „Dass am Hindukusch oder im Südchinesischen Meer oder am Horn von Afrika unsere freiheitlich demokratische Grundordnung verteidigt werden muss, mag glauben, wer will. Ich tue es nicht“, sagte Fitz. Wenn von deutschem Boden nie wieder Krieg ausgehen soll, dann „braucht es weder Jugendoffiziere noch Karriereberater der Bundeswehr an unseren Schulen und es braucht auch keinen Zugriff des Militärs oder der NATO auf zivile Forschung und Lehre an unseren Universitäten und damit keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Grundrechte von Lernenden, Lehrenden und Forschenden“.