KRITIS-Tagung zur Militarisierung des Gesundheitswesens

Kriegstüchtige Krankenhäuser

Heiko Schmidt

Nach drei Jahren sogenannter Zeitenwende kommt die Militarisierung der Gesellschaft in Deutschland in den Krankenhäusern an. Der bisher geheim gehaltene „Organisationsplan Deutschland“ sieht genau das vor. Am 6. März fand dazu auf Initiative der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken (BG) und der regionalen Branchenplattform Gesundheitsstadt Berlin e. V. eine Tagung im Unfallkrankenhaus Berlin statt. Diese „KRITIS“-Tagung fand erstmals 2024 statt und beschäftigte sich mit Anforderungen von Katastrophenschutz und Krisen aller Art. Die zweite Tagung bezog sich explizit auf die Anforderungen im Kriegsfall. „KRITIS“ ist eine Abkürzung für „kritische Infrastruktur“. Dieser werden zwölf Bereiche beziehungsweise Branchen zugerechnet, darunter auch das Gesundheitswesen.

Im November 2024 wurde entsprechend einer EU-Richtlinie das KRITIS-Dachgesetz beschlossen. Darin werden alle Akteure der betroffenen Bereiche verpflichtet, bis Juli 2026 Maßnahmen zur Risikoanalyse und Resilienzsteigerung gegenüber Schäden beziehungsweise Bedrohungen zu treffen.

Das alles ließe sich noch als allgemeiner Katastrophenschutz auffassen. Worum es aber wirklich geht, zeigt sich jetzt: Alle systemrelevanten Bereiche sollen an die Erfordernisse der Kriegsführung oder Kriegseinwirkung angepasst werden. Das heißt für die Krankenhäuser, Bettenkapazitäten für Kriegsverletzte bereitzustellen und im Gegenzug zivile Patienten abzuweisen. Es bedeutet, bundesweit Verteilungs- und Transportstrukturen für diese Verletzten zu schaffen. Und es bedeutet, die Behandlung und Pflege bei schweren Kriegsverletzungen zu erlernen.

Zur Einstimmung zeigte der Brigadegeneral Elon Glassberg von den israelischen Sanitätstruppen auf der KRITIS-Tagung drastische Bilder von israelischen Verletzten des 7. Oktober 2023 und wies darauf hin, dass die Kliniken in Israel gut vernetzt und auf militärische Anforderungen vorbereitet sind.

Im Mittelpunkt der Tagung, die sich offensichtlich an Führungskräfte und die Presse richtete, standen folgende Leitfragen: die Rolle des Föderalismus im Gesundheitswesen angesichts zentraler Anforderungen, Bevölkerungsschutz als Katastrophenschutz, die Anforderungen des „Organisationsplans Deutschland“ der Bundeswehr, die Notwendigkeit einer Kriegsmedizin und schließlich die Anbindung der Krankenhäuser an staatliche Stellen einschließlich der Bundeswehr.

Initiiert wurde die Tagung vom Geschäftsführer des Unfallkrankenhauses Berlin und Oberstarzt der Reserve Axel Ekkernkamp und dem „Zukunftsforscher“ Daniel Dettling vom Institut für Zukunftspolitik, Geschäftsführer von Gesundheit Berlin e. V. Beide setzen sich auf unterschiedlichen Ebenen für die zivil-militärische Einbindung des Gesundheitswesens ein. Ekkernkamp ist Mitglied des Wehrmedizinischen Beirats der Bundeswehr. Dettling ist als Politikberater jetzt Propagandist für die Militarisierung der Zivilgesellschaft.

Die Berufsgenossenschaftlichen Kliniken arbeiten seit 2019 eng mit dem Sanitätsdienst der Bundeswehr zusammen. Dabei geht es um mehr Ausbildungsmöglichkeiten für Sanitätsärzte und um die zukünftige Bereitstellung von Bettenkapazitäten. Im Unterschied dazu führt die Charité, die ebenfalls längst Kooperationspartner ist, gemeinsame Forschungsprojekte unter anderem in der Infektionsmedizin und in der sogenannten Kriegschirurgie durch. Inzwischen sind auch gemeinsame Übungen mit der Bundeswehr geplant.

Die Militärs fordern, dass die deutschen Kliniken in die Lage versetzt werden, täglich 1.000 Kriegsverletzte aufzunehmen. Das bedeutet natürlich im Kriegsfall, dass zivile Patienten nicht oder erst später behandelt werden. Einige Kliniken üben bereits an ukrainischen Kriegsverletzten, deren Anzahl noch weiter steigen soll. Ausdrücklich wird auf die Beispiele Ukraine und Israel verwiesen, um die Dringlichkeit der zivil-militärischen Zusammenarbeit herauszustellen.

Mit der Plattform „Gesundheitsstadt Berlin“, in der alle großen Träger des regionalen Gesundheitswesens vertreten sind, wird versucht, die Militarisierung in die stationären Krankenversorgungsstrukturen zu tragen. Wir erleben damit eine zweite Phase des „Organisationsplans Deutschland“, in der die veröffentlichte Meinung und die Spitzen des Gesundheitswesens auf Linie gebracht werden sollen. Abweichende Meinungen sind aus diesem Spektrum bisher nicht zu hören.

An der Basis – das heißt in den Kliniken selbst, an den Arbeitsplätzen und in den Betriebs- und Personalräten – ist von all dem noch nichts Konkretes angekommen. Hier wie auch in der breiten Öffentlichkeit findet die Kriegsvorbereitung bisher nur auf der Ebene der Propaganda statt. Das wird sich bald ändern. Die Herrschenden stehen unter Zeitdruck und der Aufrüstungsplan steht. Da muss die Heimatfront folgen.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Kriegstüchtige Krankenhäuser", UZ vom 21. März 2025



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol LKW.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit