Vor 20 Jahren starteten die USA den Angriff auf den Irak. Der erste Schuss in diesem lange angekündigten Krieg war der Schlusspunkt einer intensiven Marketingkampagne.
Über Monate fluteten Berichte über Massenvernichtungswaffen des Irak die Medien. Der Höhepunkt dieses Hypes war das Märchen von der Bedrohung durch irakische Atombomben: Innerhalb weniger Minuten könnten irakische Massenvernichtungswaffen London vernichten, erklärte der britische Premierminister Anthony Blair seinerzeit. Er ließ sogar ein Dossier erstellen, das die geheimsten Informationen der britischen Geheimdienste preisgab. Darin gab es Darstellungen von einzelnen Produktionsstätten für Massenvernichtungswaffen mit genauer Ortsangabe und Beschreibung – wer wollte, konnte im Internet Informationen zu diesen Anlagen ermitteln. Damals gab es noch „Qualitätsmedien“, die Berichte darüber veröffentlichten.
In einem Falle beschrieb ein italienischer Journalist, was er vor Ort gesehen hatte. Der giftigste Stoff in einer der Anlagen war, wie er meinte, der Schimmel an den Wänden. Schon Jahre zuvor hatte Saddam Husseins Schwiegersohn, nachdem er zu den USA übergelaufen war, berichtet: Es gibt keine Massenvernichtungswaffen. Es war offensichtlich: Der Hype war nur vorgeschoben, um den Krieg zu „verkaufen“.
Die Medien spielten gerne mit. Ausgerechnet der „Spiegel“ schrieb zehn Jahre danach: „Viele Journalisten wurden zu unkritischen Kriegstrommlern. Das beschleunigte den Niedergang der Medien.“ Während der Marketingkampagne förderten sie den Hype und brachten Gegner des Kriegswahns in Verruf. Einer der Organisatoren dieser Kampagne war Irving Libby, ein Berater des Vizepräsidenten der USA. Er wurde später für eine seiner Aktionen verurteilt, aber von Präsident George W. Bush begnadigt. Dies war die Blaupause für die heutigen Kriegstrommler.
Bekannt ist der Ausspruch des damaligen Außenministers Joseph Fischer auf der Münchner Sicherheitskonferenz: „I am not convinced.“ Er gab sich als „nicht überzeugt“ von der Existenz der Massenvernichtungswaffen? Dabei musste er als Minister wissen, dass alle Behauptungen darüber Lug und Trug waren. Sein vorgeschobener „Zweifel“ war eine Reaktion auf die Proteste der Bevölkerung gegen die Kriegsteilnahme.
Mit dem ersten Schuss am 20. März 2003 änderte sich die Rolle der Medien. Von jetzt an begleiteten sie die Invasionsarmee auf ihrer Siegesstraße nach Bagdad und zeigten mit ihren „eingebetteten Journalisten“ die Bilder, die die Armeeführung zeigen wollte.
„Auftrag ausgeführt“, erklärte US-Präsident Bush am 1. Mai 2003. Nicht nur hatten die USA diesen Auftrag an sich selbst vergeben – der Krieg hatte da erst begonnen. Jahre von Gewalt, Krieg und Bürgerkrieg folgten auf diesen „ausgeführten Auftrag“.
Der US-Statthalter Paul Bremer zerstörte die irakische Armee und den Staat, die von der US-Verwaltung vorgegebene Verfassung spaltete das Land anhand ethnischer und religiöser Linien, der erzwungene religiöse Proporz der Regierungsämter förderte die Korruption. Zu den Folgen der Invasion gehörte die Bildung des Islamischen Staates.
US-Kriegsgegner zählten 280.000 dokumentierte Todesfälle aufgrund von Gewalt – die Opfer als Folge der zerstörten Infrastruktur und wegen des Einsatzes von Uranmunition nicht einmal mitgezählt.
Die Invasion Afghanistans und des Irak bildeten den Anfang. Es folgten Libyen, Syrien, der Jemen. „Mission accomplished“? Keineswegs. Die Träume der Neokonservativen in den USA von einem „Amerikanischen Jahrhundert“ waren auf Sand gebaut – und dennoch werden sie weiter verfolgt.