Tausende protestieren gegen NATO-„Sicherheitskonferenz“ und die geplante Stationierung von US-Raketen in Deutschland

Kriegstreiber in München umzingelt

Mark Ellmann

Konferenzchef Christoph Heusgen hat die Münchner Privatkonferenz in diesem Jahr zum letzten Mal geleitet. Der deutsche Spitzendiplomat soll demnächst vom bisherigen NATO-Chef Jens Stoltenberg abgelöst werden. In diesem Sinne stand das Verhältnis der europäischen NATO-Staaten zum Führungszentrum in Washington auf der Tagesordnung. Die Realität der multipolaren Welt erfordere ein Regelwerk, wie es die Vereinten Nationen und das internationale Völkerrecht bieten, erinnerte der mittlerweile fest im Programm der „Munich Security Conference“ eingeplante chinesische Außenminister Wang Yi. Seine Worte verhallen, denn als der oberste Außenpolitiker Pekings die Bühne betritt, da ist der transatlantische Streit auf der Bühne schon in vollem Gange. Statt zum Inhalt der Rede fragte Heusgen nach dem Verhältnis Chinas zum neuen US-Präsidenten.

Mit Kundgebungen, einer Menschenkette durch die Innenstadt sowie einem Demonstrationszug umzingelte das Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz den Tagungsort Bayerischer Hof. Rund 5.000 Menschen folgten dem Protestaufruf. Mit der Thematisierung der geplanten Stationierung der US-Mittelstreckenraketen in Deutschland durch die Gruppen des Münchner Friedensbündnisses leistete die Demo einen Beitrag zum bundesweiten Aktionstag für den Berliner Appell. Auf den Kundgebungen konnten hunderte Unterschriften für den Aufruf gesammelt werden. Als Lühr Henken am Münchner Stachus eindringlich vor der Stationierung warnte, da formierte sich in der Mittagssonne bereits der Demonstrationszug, den der Ko-Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag dann zusammen mit anderen Rednerinnen und Rednern anführte.

Die Reden von Amir Ali und Rihm Hamdan für „Palästina spricht“ und des israelischen Anti-Rüstungs-Aktivisten Ronnie Barkan informierten über und verurteilten den Krieg Israels. Der Münchner Rechtsanwalt Mathes Breuer prangerte die Repression gegen Kriegsgegner in Deutschland an und der Hafenarbeiter José Nivoi informierte über die erfolgreiche Sabotage beim Verladen von Kriegsgerät in Genua. Die vom Berufsverbot betroffene Klimaaktivistin Lisa Poettinger sprach auf der Abschlusskundgebung, ebenso wie Ronja Fink (SDAJ) vom Anti-Wehrpflicht-Bündnis. Die Münchner ver.di-Gewerkschaftssekretärin Agnes Kottmann berichtete in ihrer Rede über die Aktivitäten von „Soziales rauf! Rüstung runter!“. Chris Hüppmeier vom Bündnis „U18 nie!“ prangerte die Militarisierung von Jugendlichen an. Außerdem sprachen Yanis Varoufakis und Gül Tolay, dazu gab es Musik von den „Ruam“ und vom Ska-Kollektiv „TulaTroubles“. Auf Schildern und Transparenten forderten die Teilnehmerinnen Abrüstung und Investitionen in Bildung, Soziales und Umwelt.

080403 Siko - Kriegstreiber in München umzingelt - Agnes Kottmann, Chris Hüppmeier, Gül Tolay, Lisa Poettinger, Mark Ellmann, Münchner Sicherheitskonferenz 2025, Ronja Fink, Wang Yi, Yanis Varoufakis - Politik
Protestiert wurde auch gegen Waffenlieferungen, die geplante Raketen­stationierung und den Völkermord in Gaza. (Foto: Karl-Reiner Engels/r-mediabase)

Seit der Corona-Pandemie gibt es auch eine Gegenveranstaltung unter dem Motto „Macht Frieden“, auf der in diesem Jahr unter anderem Ulrike Guérot und Diether Dehm sprachen. Die Veranstaltung hatte sich damals in Konkurrenz zum Aktionsbündnis gegründet, auch, weil die Mitarbeit der DKP störte. Bis zu 1.000 Personen kamen zur Kundgebung am Königsplatz, wo der soeben aus dem BSW ausgetretene EP-Abgeordnete und Corona-Maßnahmen-Kritiker Friedrich Pürner sprach. Die Kundgebung richtete sich gegen die Stationierung von US-Mittelstreckenraketen, Waffenlieferungen und „importierte Gewalt“. Vereinzelt waren AfD-Schilder zu sehen.

Zeitgleich zur großen Anti-Siko-Demo protestierten um die 400 Menschen am Odeonsplatz für die Verlängerung des Ukraine-Krieges. Als prominente Redner waren die Politiker Roderich Kiesewetter (CDU), Anton Hofreiter (Grüne) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) erschienen. Von den Anwesenden, darunter Kindern, wurden in Sprechchören „Schwere Waffen für die Ukraine“ gefordert. Als der Protestzug vom Anti-Siko-Bündnis an der Kundgebung vorbeizog, schallte aus einem Lautsprecherwagen ein Lied von K. I. Z.: „Wir träum’n von Frieden, doch erst müssen wir gewinn’n.“

Fotos und Videos von den Protesten gegen die Münchner Sicherheitskonferenz gibt es im UZ-Blog.

Aus der Rede von Mark Ellmann für das Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz:
„Wenn die US-Administration und in Deutschland nun die AfD fordert, Ausgaben in Höhe von 5 Prozent der Wirtschaftsleistung für Aufrüstung und Krieg auszugeben, dann ist das der direkte Weg in die Kriegswirtschaft – denn das hieße, bezogen auf den Bundeshaushalt, mehr als jeden dritten Euro für Kriegsvorbereitung auszugeben. Merz und Habeck fordern ebenso astronomische Summen!
Während das Bildungssystem kollabiert, das Gesundheitssystem und Krankenhäuser überlastet sind, Brücken einstürzen und Züge nicht fahren, spielt die etablierte Politik mit im Konzert der Kriegsstrategen und Hochrüster. Wir aber wollen: Frieden schaffen ohne Waffen! Wir fordern: Diplomatie statt Schießen! Deswegen steht unser Protest heute unter dem Motto ‚Friedensfähig statt kriegstüchtig‘. (…)
Es kann nicht angehen, dass auf einer internationalen Konferenz des Kalibers der sogenannten Sicherheitskonferenz keine Friedensverhandlungen mit allen am Ukraine-Krieg beteiligten Staaten möglich sind, weil die russische Regierung nicht eingeladen wird, dafür jedoch ausgewählte russische Oppositionspolitiker. Was für eine Diplomatie soll das sein?
Die ständige Wiederholung der Lüge, dass Russland gegenüber der NATO eine Bedrohung darstelle, ändert nichts daran, dass selbst die europäischen NATO-Staaten ohne die USA bei ihren militärischen Budgets, Truppenstärken und Waffensystemen vor Russland liegen. So zu tun, als gäbe es diese Fakten nicht, schränkt wie das spätfeudale Gerede von einer ‚Staatsräson‘ die gelebte Verfassungsrealität des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung ein. (…)
Die Welt ist im Umbruch. Dieses scheinbare Chaos ist Ausdruck einer Ordnung im Untergang. Sie wirkt wie Chaos, ist jedoch Politik im Inte­resse der Wenigen, die diese Konferenz im Bayerischen Hof finanzieren. (…) Ob Zeitenwende-Gesetze oder Wiedereinführung der Wehrpflicht: Wir erleben einen reaktionär-militaristischen Umbau der gesamten Gesellschaft zur Schaffung von Kriegsfähigkeit gegenüber Russland und vor allem gegen die Volksrepublik China.“

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"Kriegstreiber in München umzingelt", UZ vom 21. Februar 2025



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