Wie verrückt ist das denn? In Nürnberg tagt Diehl in unserem Haus

Kriegsprofiteur im Gewerkschaftshaus

Kolumne

Politische Arbeit geschieht nicht im luftleeren Raum, sondern an realen Orten. Das weiß auch die Gegenseite. Und so stellt sich in Zeiten des reaktionär-militaristischen Staatsumbaus zunehmend auch die Frage nach Räumen und Orten, an denen wir Politik machen können. Zwei Dinge sind dabei zentral: Erstens sind Räume oft teuer, zweitens bekommt man sie nicht immer. Die Fälle, in denen politische Organisationen, Gruppen und auch uns als Partei Räumlichkeiten für Treffen, öffentliche Veranstaltungen oder Vorträge verweigert werden, häufen sich. Staatliche Stellen oder pflichtschuldige Einzelpersonen entscheiden, ob die dargebotenen Themen in die bundesdeutsche Staatsräson passen oder nicht. Das ist die bürgerliche Demokratie im Jahr 2024.

Das Nürnberger Gewerkschaftshaus befindet sich im Besitz der IG-Metall-eigenen Immobilienfirma IG-MET. Diese hat die Frage nach Nutzung der schicken Räumlichkeiten im 7. Stock mit grandiosem Ausblick schon vor Jahren vermeintlich elegant gelöst. Die durch eine private Betreiberfirma vermieteten Räume sind derart teuer, dass sie für die durchschnittliche Politgruppe nicht in Frage kommen. Das erspart lästige Debatten darüber, welche politischen Gruppen sich im Gewerkschaftshaus einmieten dürfen. Zunächst mal nur solche, die es sich leisten können. Sogar für die Bezirks-und Landesorganisation von ver.di stellen die Kosten eine derart hohe Hürde dar, dass nur noch in Einzelfällen auf die Nutzung dieser Räume zurückgegriffen werden kann. Zwar gibt es finanzielle Sonderkonditionen für die gewerkschaftliche Nutzung, doch im Zweifelsfall hat das gewerkschaftliche Wirken gegenüber der kommerziellen Nutzung das Nachsehen. Denn die externen Inte­ressenten stehen Schlange: Unternehmen, feine Hochzeitsgesellschaften, Zeitarbeitsfirmen. Sie alle schätzen das Panorama, das ausgezeichnete Catering und den Service im Gewerkschaftshaus.

1209 Kolumne Tatjana - Kriegsprofiteur im Gewerkschaftshaus - DGB, IG Metall, reaktionär-militaristischer Staatsumbau, Rüstungskonzerne, Staatsräson, Widerstand - Positionen
Tatjana Sambale

Mitte Oktober durfte sich die Rüstungsfirma Diehl aus Röthenbach im Nürnberger Land einmieten. Wurde im Faschismus noch auf Zwangsarbeiterinnen, Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge zurückgegriffen, um den Profit zu maximieren, darf sich Diehl heute über die Zeitenwende samt Milliardenaufträgen freuen. Unter solchen Umständen ist selbst das Gewerkschaftshaus bezahlbar. Und weil in Kriegszeiten alle Menschen Rüstungsunternehmen geil zu finden haben, wurde das Firmen-Event auch im gesamten Haus beworben. Schon an der Eingangstür wurde man von Diehl begrüßt, im Foyer hing ein Riesenbanner des Rüstungskonzerns und selbst in den Fahrstühlen wurde man belästigt. Die Betreiberfirma antwortete auf Nachfrage, Diehl sei in diesen Zeiten eine „normale“ Firma wie jede andere. Der DGB-Kreisvorsitzende in Röthenbach, der Diehl-Heimatgemeinde, hat schon früher Werbung für Waffenlieferungen an die Ukraine gemacht – und diese mit der solidarischen Unterstützung an das revolutionäre Nicaragua in den 80er Jahren verglichen.

Die Provokation blieb nicht unbeantwortet: „Diehl-Manager not welcome – Keine Profite mit dem Tod“ und andere Sprüche gegen den Rüstungskonzern waren auf A4-Zetteln im Haus zu lesen. In einem Offenen Brief fordern Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter unter anderem eine Zivilklausel für das Haus. Die Vorstände der DGB-Gewerkschaften Mittelfranken werden aufgefordert, Stellung zu beziehen. Auch einige Ortsvereine von ver.di haben den Brief bereits gezeichnet. Die Debatte, wie es sein kann, dass ein Kriegsprofiteur Gewerkschaftsräume mieten kann, ist in vollem Gange. Die IG Metall stellt sich auf den Standpunkt, Diehl sei einer ihrer mitgliederstärksten Betriebe. Aber hier geht es nicht um Gewerkschaftskolleginnen und -kollegen, sondern um eines der hundert größten Rüstungsunternehmen weltweit, die das Gewerkschaftshaus nutzen, um an ihrem Saubermann-Image zu arbeiten.

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"Kriegsprofiteur im Gewerkschaftshaus", UZ vom 25. Oktober 2024



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