NATO feiert in Washington – Orbán reist nach Kiew, Moskau und Peking

Kriegspolitik oder Friedensplan

Am Dienstag begann in Washington ein dreitägiger Gipfel der NATO, auf dem der 75. Gründungstag des Kriegspaktes gefeiert werden sollte. Doch war „von Feierlaune wenig zu spüren“, resümierte die Nachrichtenagentur AFP am Dienstag. Statt der vielbeschworenen Einigkeit zeigten sich Risse: US-Präsident Joseph Biden sei „im Duell mit seinem NATO-kritischen Herausforderer Donald Trump angeschlagen“ und Ungarns Regierungschef Viktor Orbán erzürne die Verbündeten „mit Überraschungsbesuchen bei Russlands Präsident Wladimir Putin und in China“. Dass der bulgarische Präsident Rumen Radew wegen der NATO-Politik gegen Russland gar nicht erst anreist, wie die Nachrichtenagentur BNR am Dienstag meldete, fehlte in der AFP-Aufzählung.

Dann muss auf dem Gipfel also wenigstens noch eine unbefristete Militärhilfe für Kiew beschlossen werden – so zumindest der Plan. Zuletzt hatten sich die 32 Mitgliedsländer nur auf Unterstützung in Höhe von 40 Milliarden US-Dollar fürs kommende Jahr einigen können.

Da kommen den Kriegstreibern aktuelle Bilder aus der Ukraine gerade recht. Kurz vor dem NATO-Gipfel wurde nach ukrainischen Angaben, die von UN-Vertretern vor Ort bestätigt wurden, ein großes Kinderkrankenhaus in Kiew durch eine russische Rakete getroffen. Anfang April 2022 folgten auf beginnende Friedensverhandlungen zwischen Kiew und Moskau die Bilder des Russland zugeschriebenen Massakers in der ukrainischen Stadt Butscha. Jetzt steht ohne Beweise fest, dass die ukrainische Luftabwehr nichts mit dem Kinderkrankenhaus in Kiew zu tun hatte – obwohl veröffentlichte Bilder nicht die Verwüstung zeigten, die Folge eines gezielten russischen Angriffs gewesen wären. Putins Sprecher Dimitri Peskow erklärte am Dienstag, die Klinik sei von der ukrainischen Luftabwehr getroffen worden: „Ich bestehe darauf, dass wir keine Angriffe auf zivile Ziele vornehmen.“

Zuvor hatte Orbán vor seinem Abflug nach Peking und zum NATO-Gipfel in Washington Springer-Medien ein Interview gegeben, in dem er den westlichen Hegemonieverlust und seine eigene Rolle dabei drastisch ausmalte. Kernsätze: „China hat einen Friedensplan. Amerika hat eine Kriegspolitik. Und Europa, statt eines eigenen strategischen Ansatzes, kopiert einfach die amerikanische Position.“ Und: „Putin kann nicht verlieren, wenn man sich die Zahl der Soldaten, die Ausrüstung und die Technologie anschaut.“ Sowie: „Kein ernsthafter Mensch kann davon sprechen, dass Russland die Absicht hat, die NATO anzugreifen.“ Im Übrigen: Mit Angela Merkel wäre das alles nicht passiert.

Am Montag reiste der Ungar zu einem Treffen mit Xi Jinping in Peking weiter. Ju Weiwei, Stellvertretender Leiter der Abteilung für Osteuropa am Institut für Europastudien an der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, schätzte in der „Global Times“ ein, Orbán sei „Teil einer Minderheit innerhalb der EU. Er plädiert für eine Lösung des Konflikts mit friedlichen und politischen Mitteln.“

Damit sorgt er bei EU und westlichen Kriegsmedien für Wutausbrüche. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte schon am Freitag auf X gezetert: „Appeasement wird Putin nicht aufhalten.“ Die designierte EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas behauptete gar auf X: „Die EU ist geeint klar hinter der Ukraine und gegen Russlands Aggression.“ Einen Tag später zitierte der britische „Telegraph“ allerdings den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico, der im Mai bei einem Attentat schwer verletzt worden war: „Ich will meine Bewunderung für den ungarischen Premier aussprechen, dass er ohne zu zögern nach Kiew und Moskau gereist ist. Wenn mein Gesundheitszustand es zugelassen hätte, wäre ich gerne mitgekommen.“

Der indische Präsident Narendra Modi war nach Moskau gereist – demonstrativ seine erste Auslandsreise nach der Wiederwahl. Dort nannte er Putin einen „lieben Freund“.

Die Welt war für die NATO schon mal sonniger.

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"Kriegspolitik oder Friedensplan", UZ vom 12. Juli 2024



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