G7-Treffen der Außenminister: Keiner will Frieden

Kriegskurs auf Capri

Mehr Konfrontation, mehr Krieg, darauf haben sich die Außenminister der G7-Staaten bei ihrem Gipfel auf der italienischen Mittelmeerinsel Capri in der vergangenen Woche verständigt. Dabei hatte Holger Möhle, Korrespondent der „Rheinischen Post“, ob der malerischen Kulisse noch gemunkelt: „Vielleicht finden die G7-Außenminister hier ein Beruhigungsmittel gegen aufgeputschte Autokraten, gegen depressive Stimmung, im besten Fall sogar ein Rezept für den Weltfrieden.“ „Quisisana“ heiße das Hotel, in dem die Außenminister der sieben größten westlichen Industriestaaten vom 17. bis 19. April auf Capri im Golf von Neapel zusammengekommen sind. „Quisisana“, übersetzt: „Hier heilt man“, könnte zur „Behandlungsmethode gegen Friedensmüdigkeit und umgreifende Kriegslust werden“, so Möhle. „Ein englischer Arzt hatte das Haus einst als Sanatorium bauen lassen, später übernahm es der deutsche Industrielle Max Grundig. Heute, im mittlerweile dritten Jahr des Ukraine-Krieges und im Angesicht eines drohenden Krieges zwischen Israel und Iran, beraten Annalena Baer­bock und ihre Amtskollegen aus USA, Kanada, Japan, Großbritannien, Frankreich und Gastgeber Italien, wie der Frieden, der geblieben ist, gerettet werden und eine Ausdehnung von Krieg verhindert werden kann.“

Das ist natürlich Nonsens, wie allein ein Blick in die Abschlusserklärungen des Capri-Gipfels zur Ukraine sowie den Konflikten und Kriegen im Nahen Osten zeigt. Der exklusive Club der sieben wichtigsten westlichen Industriestaaten plus EU sicherte der Ukraine die volle Unterstützung im NATO-Stellvertreterkrieg gegen Russland zu. Passend dazu: Erstmals war auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg als offizieller Gast eingeladen. Ausgegebenes Ziel des Westens bleibt weiter ein Sieg über Russland. Vorrangig geht es um den Ausbau der ukrainischen Luftverteidigung mit NATO-Waffen. Grünen-Außenministerin Baer­bock warb bei dem Treffen mit Nachdruck dafür, der Ukraine weitere Systeme zur Luftabwehr zur Verfügung zu stellen. Deutschland bereitet gerade die Lieferung eines dritten Patriot-Systems vor. Gen Washington flötete Deutschlands Spitzendiplomatin: „In diesen stürmischen Zeiten ist es ein hoffnungsvolles Zeichen, dass es jetzt aus den USA Signale gibt von den Republikanern, dass die Unterstützung für die Ukraine weiter intensiv fortgesetzt werden kann.“

Friedensinitiativen des Papstes, afrikanischer Staaten, Brasiliens und Chinas finden keine Unterstützung, nicht einmal Erwähnung. Baer­bock und Co. stellen sich vollumfänglich hinter ­Kiews Maxime einer totalen Kapitulation Russlands. Vom G7-Gipfel sollte ausdrücklich ein Signal der Stärke ausgehen, wissend um die weiter sinkende Kriegsbereitschaft in der ukrainischen Bevölkerung und lauter werdende Rufe nach einer Verhandlungslösung. Neue Hoffnung sollen die von Washington unmittelbar nach dem Capri-Gipfel freigegebenen Waffentranchen an Kiew im Wert von 60 Milliarden US-Dollar geben.

Mit Blick auf den Nahen Osten verurteilten die G7-Außenminister „auf das Schärfste den direkten und beispiellosen Angriff Irans gegen Israel vom 13. und 14. April, den Israel mit Hilfe seiner Partner zurückgeschlagen hat“. Israel und seine Bevölkerung habe „unsere volle Solidarität und Unterstützung, und wir bekräftigen unser Engagement für die Sicherheit Israels“. Das Vorgehen Irans ist ein „inakzeptabler Schritt zur Destabilisierung der Region und eine weitere Eskalation, die vermieden werden muss“.

Kein Wort der G7 zum vorausgegangenen direkten und beispiellosen Angriff Israels auf das iranische Botschaftsgelände am 1. April, bei dem 16 Menschen getötet wurden, darunter führende Militärs des Iran. Eine Verurteilung der völkerrechtswidrigen Attacke muss Israel seitens des Westens nicht fürchten. Nach Israel zugeschriebenen Angriffen am 19. April riefen die G7-Außenminister nominell „alle Parteien auf, sich für die Verhinderung einer weiteren Eskalation einzusetzen“. Die Gruppe der Sieben werde sich „weiterhin für dieses Ziel einsetzen“. Konkret gab das US-Repräsentantenhaus neben den Ukraine-Geldern gut 26 Milliarden US-Dollar für Israel frei. Damit sollen etwa Israels Raketenabwehr und die laufenden Militäroperationen der USA in der Region finanziert werden. Rund neun Milliarden US-Dollar sind für humanitäre Unterstützung gedacht, darunter für die Menschen im Gazastreifen, die Israels Armee mit US-amerikanischen und deutschen Waffen ins Elend bombt.

Eine tragfähige Lösung des Konflikts könne nur das „Ergebnis einer koordinierten regionalen Anstrengung sein“, heißt es in der Capri-Abschlusserklärung. Die G7 setzen sich demnach „weiterhin für einen dauerhaften und nachhaltigen Frieden auf der Grundlage einer Zweistaatenlösung und der Errichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates mit Sicherheitsgarantien für Israel und die Palästinenser ein“. Heiße Luft angesichts des dröhnenden Schweigens zum tödlichen Terror bewaffneter Siedlermilizen und der israelischen Armee im besetzten Westjordanland.

Es ist der typische G7-Zynismus, wenn Baer­bock und Co. der syrischen Bevölkerung weitere humanitäre Hilfe zusichern und den Ländern der Region Dank äußern, dass sie syrische Flüchtlinge aufnehmen, während sie das „syrische Regime“ auffordern, „die Voraussetzungen für eine freiwillige, sichere und würdige Rückkehr der Flüchtlinge zu schaffen“. Selbstredend halten die G7 an den Syrien-Sanktionen fest, die den Wiederaufbau des Landes nach Jahren des Regime-Change-Krieges blockieren, der Bevölkerung jede Zukunftsperspektive nehmen und immer weitere in die Flucht zwingen. Geheilt wurde im Hotel „Quisisana“ auf Capri mithin gar nichts.

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"Kriegskurs auf Capri", UZ vom 26. April 2024



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