Ob mit oder ohne Staatseinstieg: Rüstungsindustrie hat Priorität

Kriegsförderprogramm

Deutschland soll in fünf Jahren kriegstüchtig und in der Lage sein, unter dem Oberkommando des Pentagon in den Krieg gegen Russland zu ziehen. Dazu bedarf es einer massiven Aufrüstung seines Heeres, seiner Luftwaffe und seiner Marine. Wer das dafür nötige Geld bekommt, was er dafür zu liefern hat – das ist seit dem Beginn imperialer Kriege Gegenstand rüstungsstrategischer Überlegungen. So war das im deutschen Kaiserreich, als der Löwenanteil solcher Gelder vor 1914 in den Aufbau der kaiserlichen Kriegsmarine ging. So war das vor 1939, als vor allem Heinkel, Messerschmitt und Junkers – also die Flugzeugindustrie – und Rheinmetall, Krupp und Thyssen – also die Munitions- und Panzerwaffenproduzenten – den Löwenanteil der staatlichen Gelder einstrichen.

Auf der Linie dieser unseligen Tradition ist nun, so berichtete das „Handelsblatt“, unter Federführung des Verteidigungsministeriums in enger Abstimmung mit dem Wirtschaftsministerium eine neue „Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie“ in Arbeit. Es geht vor allem um den Einstieg des Staates in Rüstungsschmieden. Zudem sollen Rüstungsprojekte künftig als Vorhaben von „überragendem öffentlichem Inte­resse“ eingestuft werden können, um zum Beispiel Genehmigungsverfahren zu beschleunigen. Die Europäische Investitionsbank (EIB) soll mehr Geld für militärisch relevante Projekte bereitstellen und Rüstungs-„Start-ups“ sollen besonders gefördert werden. Nach Aussage des Verteidigungsministeriums sei das Papier in der „Ressortabstimmung“. Im September solle es dem Kabinett vorgelegt werden.

Seitdem gibt es in den wirtschaftsnahen Medien dieses Landes einige Aufregung. Das ist verständlich, denn es geht um einige hundert Milliarden Euro, die aus Steuergeldern demnächst in die Kriegsproduktion fließen.

Zwei Hauptkonfliktlinien zeichnen sich ab. Zum einen geht es um die Rolle möglicher Staatsbeteiligungen. So titelte die FAZ am Montag vergangener Woche in ihrem wirtschaftspolitischen Leitkommentar klipp und klar: „Rüstung braucht nicht noch mehr Staat.“ Dem dürfte zum Beispiel Rheinmetall zustimmen, gegenwärtig Hauptprofiteur des Rüstungsbooms. Dessen Vorstandsvorsitzender Armin Papperger berichtete freudig, sein Unternehmen hätte seinen Umsatz im zweiten Quartal 2024 um rund die Hälfte steigern können und das Ergebnis – also den Profit – mehr als verdoppelt. Vor allem die Gewinnmarge im Geschäft mit Waffen und Munition sei mit 22 Prozent so hoch wie nie. Jede Granate, die von den Truppen der Ukraine aus deutscher Produktion gegen russische Soldaten und Zivilisten verfeuert wird und im Schnitt 4.000 Euro kostet, spült Herrn Papperger rund 900 Euro netto vor Steuern in die Unternehmensbilanz. Er hätte zwar nichts gegen einen Staatseinstieg, aber der Einfachheit halber könne auch jedes Regierungsmitglied – der Kanzler eingeschlossen – Aktien von Rheinmetall kaufen und so am Gewinnboom teilhaben.

Der zweite Streitpunkt ist der, wie viel Geld deutsche und wie viel Geld internationale Rüstungskonzerne bekommen. So maulte die hiesige Industrie, vom ersten 100-Milliarden-Sondervermögen seien 35 bis 40 der insgesamt 100 Milliarden ins Ausland geflossen. Wenn das nicht weniger werde, müsse es wenigstens bessere Möglichkeiten von „Kompensationsgeschäften“ geben. Im Klartext: Die noch im Koalitionsvertrag vereinbarten Beschränkungen von Rüstungsexport-Geschäften müssten fallen.

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"Kriegsförderprogramm", UZ vom 16. August 2024



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