Neue Runde im Technik-Streit mit China

Kriegsentscheidend

Von Klaus Wagener

Ich kann Ihnen sagen, nach den Hua­wei-Ereignissen wird kein chinesisches Geld mehr ins Silicon Valley fließen. Und niemand wird es mehr wagen, US-Geld in China zu investieren“, sagte der stellvertretende Direktor der People’s Bank of China (PBoC), Zhu Min, letzte Woche auf dem Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos.

Die chinesische Seite nimmt also die Kampfansage aus Washington im Streit um den boomenden chinesischen IT-Sektor durchaus ernst. Die Bereitschaft, den Konflikt auch auf die Ebene der Auslandsinvestitionen zu ziehen, zeigt zum einen, dass Peking keine schnelle Lösung in diesem Streit sieht, zum anderen, dass man Washington zeigen möchte, dass man durchaus in der Lage ist, adäquat zurückzuschlagen. Und drittens zeigt es, dass die asymmetrische Finanzstruktur zwischen den beiden Schwergewichten – China ist der größte Gläubiger der USA und gleichzeitig wichtiges Ziel US-amerikanischer Direktinvestitionen – durchaus auch Nachteile für die US-Staatskasse wie auch für US-Investoren haben kann.

Huawei hatte etwas streng Verbotenes getan: Der IT-Ausrüster aus der Wirtschaftsmetropole Shenzhen am Perlflussdelta hatte den US-Darling Apple auf Platz 3 im globalen Ranking verwiesen. Die Nummer 1, der südkoreanische Samsung-Konzern, hatte Apple schon früher hinter sich gelassen, aber Südkorea ist ein abhängiger US-Vasall, ohne weitreichende Souveränitätsansprüche. Da ist so etwas verzeihlich.

Der chinesische Gigant gilt zudem als führend bei der Einführung der neuen, revolutionären IT-High-Speed-Technologie „5G“. Und das macht die Sache problematisch. 5G verspricht eine Steigerung der Daten-Geschwindigkeiten sowie einen ordentlich Schub bei den Datenvolumina um den Faktor 1000. Ebenso versprochen wird eine neue Netzarchitektur und dadurch mehr Übertragungssicherheit und Energieeffizienz. Unerlässlich für selbstfahrende Autos, das „Internet der Dinge“, ultraschnelle Sensorik und ähnliches – eben all das, worauf internationale Konzerne ihre heiß ersehnten neuen Umsatzhoffnungen stützen und gleichzeitig die bekannten Datenkraken wie auch Geheimdienste sich ungefilterte Einblicke in privatesten Eigenheiten und Verhaltensweisen versprechen. Und nun gilt Huawei ausgerechnet dort als globaler Technologieführer, mit einem vierfachen Forschungsetat gegenüber den einzigen, aber abgeschlagenen „westlichen“ 5G-Konkurrenten Nokia und Ericsson. Ein Umstand, den die US-Strategen offensichtlich als Kriegserklärung begreifen und dem sie daher mit einer Blockade von Huawei in den Staaten der „liberalen, regelbasierten Märkte“ und des „freien Unternehmertums“ begegnen wollen.

Die Datenverarbeitung ist seit jeher eine für Imperialisten kriegswichtige Techniksparte. In Nazideutschland entwickelte Konrad Zuse den ersten programmierbaren Rechner, in Großbritannien entwickelte das Team um Alan Turing den „Colossus“, einen Rechner, der in der Lage war, den deutschen Enigma-Code zu knacken. Und der Hitler-Fan und IBM-Chef Thomas J. Watson half den Faschisten mit seinen Lochkartensystemen, die Judenvernichtung zu organisieren. Elektronische Datenverarbeitung kam im Vietnamkrieg bei der „Operation Phönix“ zum Einsatz, bei welcher aufgrund elektronisch ermittelter Merkmale 40000 Menschen ermordet wurden. Oder bei der „Operation Condor“ in Lateinamerika, bei der 50000 Menschen umgebracht wurden und 350000 „verschwanden“. Ohne elektronische Datenverarbeitung keine globale Überwachung, kein Drohnen-Mordprogramm, ja kein Krieg ganz generell.

Wie Wladimir Putin am 1. März 2018 aller Welt deutlich vor Augen führte, sind die USA dabei, den von ihnen begonnenen Rüstungswettlauf zu verlieren. Die im Flug manövrierfähigen, hochpräzisen und ultraschnellen Waffen Russlands und auch Chinas machen einen erheblichen Teil der völlig überteuerten und nur bedingt einsatzfähigen US-Bewaffnung obsolet. Bei diesen neuartigen Waffen ist die High-Tech-Datenverarbeitung natürlich das zentrale Element. Die globale Spitzenposition von Silicon Valley, genauer gesagt des Pentagon, der CIA und der Stanford-Universität, ist dort in Gefahr, wo es unangenehm ist. Nicht bei irgendwelchem technischen Schnickschnack, sondern bei solch komplexen Systemen wie Atom-U-Booten, Raketen- und Schiffs-Abwehrwaffen. Die US-Flugzeugträger-Armada droht von einer gefürchteten Interventionsstreitmacht zu einem fetten Ziel relativ preiswerter Anti-Schiffs-Raketen zu werden. Und wie so etwas aussehen kann, hatten die Argentinier ja schon im Falklandkrieg mit der Versenkung der HMS Sheffield demonstriert. Der für heutige Verhältnisse eher unterdimensionierte Gefechtskopf von 165 Kilogramm reichte für die Versenkung des britischen Zerstörers aus.

Die chinesische DF-26 beispielsweise hat eine Reichweite von bis zu 5 400 km und kann mit einem nuklearen oder konventionellen Gefechtskopf mit bis zu 1 800 Kilogramm ausgerüstet werden. Da werden Provokationen, wie das Durchfahren der Taiwan-Straße mit US-Kampfschiffen schon zu einem beträchtlichen Risiko.

Huawei hatte am 7. Januar den neuen Kunpeng-920-Prozessor vorgestellt. Mit 64 Kernen bei 2,6 GHz hat Huawei gezeigt, dass der Konzern auch den 7-Nanometer-Standard beherrscht, und damit auch im Bereich der Prozessortechnik zum Spitzenstandard aufgeschlossen hat. Kein Wunder, dass bei der US-Kriegsmaschine die Alarmglocken dröhnen.

Erstes Opfer im „High-Tech-Krieg“ der USA war Huaweis Finanzvorstand Meng Wanzhou. Auf massiven Druck der USA in Kanada inhaftiert, erwartet sie nun die Deportation in die USA. Klarer konnte eine Kriegserklärung kaum ausfallen.

Die Reihen des „Westens“ im „High-Tech-Krieg“ gegen Huawei sind allerdings längst nicht so geschlossenen, wie es die Washingtoner Kriegsmaschine möchte. Huawei bietet den besten Standard und die besten Preise, immerhin 20 bis 30 Prozent günstiger als die Konkurrenz. Anders als beim CoCom-Embargo gegen die Länder des Warschauer Vertrages ist eine Blockade der chinesischen IT-Konzerne mit massiven eigenen Nachteilen, nämlich mit einem weiteren Verlust in der konkurrenzwichtigen Infrastruktur verbunden. Außerdem ist Huawei in vielen Staaten, auch in der Bundesrepublik, längst auf dem Markt etabliert. Eine Rückabwicklung wäre schwierig, teuer und kaum ohne massive Funktionsbeeinträchtigung möglich. Es wird spannend, ob sich auch hier die „Atlantiker“ genannten, servilen Erfüllungsgehilfen des Imperiums durchsetzen können. Wie bei den Russland-Sanktionen und möglicherweise wie bei Nord Stream 2. Immer bereit, sich ins eigene Knie zu schießen.

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"Kriegsentscheidend", UZ vom 1. Februar 2019



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