Zur Wende in der Ein-China-Politik der USA

Kriegsdrohung II

US-Präsident Joseph Biden möchte Taiwan gegen einen – unterstellten – Angriff der chinesischen Volksbefreiungsarmee verteidigen. Biden machte diese Ankündigung in der letzten Woche in einem „CNN“-Interview. Das Statement bedeutet eine radikale Wende in der mittlerweile 50-jährigen Ein-China-Politik der USA. US-Präsident Richard Nixon hatte die Führung um Mao Zedong als die alleinige Vertretung des chinesischen Volkes akzeptiert, um das antisowjetische „Bündnis“ mit der Volksrepublik zustande zu bringen.

Mit der Krise des US-Imperiums änderten sich die Dinge. China gilt als ernsthafte Bedrohung für den globalen Dominanzanspruch der USA. Die separatistische Führung auf Taiwan stellt ein ideales Vehikel dar, mit dem die Lage vor der chinesischen Küste eskaliert werden kann. Das Weiße Haus ist offensichtlich der Auffassung, dass die Separatisten um Frau Tsai Ing-wen ein wenig Aufmunterung für weiteres provokatives Auftreten benötigen. Mit der US-Kriegsmaschine im Rücken haben auch kleine geostrategische Brandstifter das Gefühl, Großmächte herausfordern zu können.

Bidens Kriegsprovokation wurde von der Sprecherin des Weißen Hauses, Jennifer Psaki, umgehend kassiert. Es gebe keine Änderung der US-Politik in Bezug auf Taiwan. Es gelte der Taiwan Relations Act. Man sei gegen jede unilaterale Änderung des Status quo. Selbst Joseph Biden hatte Chinas Präsident Xi Jinping versichert, die USA stünden auch weiterhin zur „Ein-China-Politik“.

Was heißt das nun? US-Außenamtschef Antony Blinken hat mehrfach wiederholt, die US-Verpflichtungen zu Taiwan seien „rock-solid“ (felsenfest). Die Biden-Mannschaft, nach Trump die zweite Administration, nahm Taiwan in ihre National Security Strategy auf. Das kommt einer De-facto-Anerkennung nahe. Frau Tsai hat also gute Gründe, von einer Kriegsbereitschaft Washingtons auszugehen.

Die Doppeldeutigkeit der US-Politik ist von der Biden-Regierung auf ein neues Niveau gebracht worden. Auf nichts und niemanden ist hier mehr Verlass. Jeder kann und soll sich aus dem, was da verkündet wird, das Passende heraussuchen. Diese neue Vorgehensweise soll Gegner maximal verunsichern und Washington maximale Handlungsfreiheit eröffnen. Zu einem hohen Preis. Die Gefahr, dass tatsächlich geschossen wird, steigt enorm. Mit unabsehbaren Konsequenzen.

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"Kriegsdrohung II", UZ vom 29. Oktober 2021



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