Bundeswehr stellt Heimatschutzdivision auf. Sie soll die NATO-Drehscheibe Deutschland sichern, auch gegen Proteste im Inneren

Krieger für die Heimatfront

Ihre Werbebotschaften klingen stets nach AfD-Poesiealbum, gern auch mit einem Schuss deutschnationaler Attitüde: „Dein Jahr für Deutschland“. Die Übungen, die diese paramilitärische Truppe abhält, tragen meist merkwürdige Namen. Wenn, wie letztes Jahr im Mai, der Schutz des Flughafens Köln-Bonn trainiert wird, läuft das unter der bodenständigen Kennung „Agiles Ross“. In Bremerhaven nannte man das mehrtägige Manöver „Fishtown Guard 2024“. Der Fernsehsender SAT1 schilderte die Ereignisse so: „Schüsse in der Innenstadt und schwer bewaffnete Angreifer:innen auf der Kennedy-Brücke.“

Den Flecktarn voll vom Muff vergangener Zeiten, reden hier auch ganz Junge ewiggestrig. „Kameradschaft, das ist wie Bruder und Schwester“, sagt der Obergefreite Alvaro S. und setzt hinzu: „Ich wollte immer Leute beschützen, etwas Gutes tun. Das geht als Soldat sehr gut und es ist vielfältig.“ „Richtige“ Soldaten sind sie dennoch nicht. Die Bewaffnung ist leicht, aber mit der Panzerfaust dürfen sie hantieren. Mit „heimatnahem Einsatz“ und netto 1.600 Euro sollen vor allem Jugendliche geködert werden, ein Fünftel der Bewerber ist unter 18 Jahren. Über die Tradition, in der sie stehen, möchten sie nicht sprechen. Die Rede ist vom Heimatschutz.

Vor sechs Jahren begann die Wiederaufstellung von Heimatschutzverbänden. UZ berichtete in der Ausgabe vom 24. Mai 2019: „Es handelt sich um ein Pilotprojekt. Nach und nach, so hört man aus dem Bundesministerium der ‚Verteidigung‘, sollen Heimatschutzeinheiten auch in allen anderen Bundesländern aufgestellt werden.“ Genauso kam es dann auch. Am 1. April dieses Jahres wurden die sechs Heimatschutz-Regimenter, die sich mehrheitlich aus Reservisten und einem geringeren Teil Freiwilliger zusammensetzen, zu einer „Heimatschutzdivision“ unter direkter Befehlsgewalt der Bundeswehr zusammengefasst.

Momentan hat die neue Division eine Mannschaftsstärke von 6.000, geplant ist eine Verdopplung. „Im Operationsplan Deutschland ist vorgesehen, die Heimatschutzkräfte in der Phase zwischen Krise und Krieg dem Land Component Command und damit quasi dem Heer zu unterstellen – und das wird nun vorgezogen“, stellt Generalleutnant André Bodemann, Befehlshaber des Ende März außer Dienst gestellten Territorialen Führungskommandos (TerrFüKdoBw), fest. Die Heimatschützer dienen im Rahmen der sogenannten „Gesamtverteidigung“ als Garanten und Zwischenglied der durchgängigen Befehlskette vom Operativen Führungskommando (OpFüKdoBw), das diese Aufgabe vom TerrFüKdoBw übernommen hat, hinunter zu den Dienststellen der „Zivilverteidigung“ (Katastrophenschutz, Technisches Hilfswerk, Feuerwehren, Rettungsdienste).

Durch den Operationsplan werden dem Heimatschutz nun folgende Einsatzbereiche zugewiesen: Sicherung von Militärtransporten („Host Nation Support” für verbündete Streitkräfte), Schutz der Schlüsselstandorte der „kritischen Infrastruktur“ (wie Energie-, Wasser- und Lebensmittelversorgung, Nachschubwege, NATO-Pipeline), Polizeiaufgaben in Koordination mit den Feldjägern. Der Heimatschutz wird auch dafür sorgen, anhand der bereits heute beim Kraftfahrtbundesamt geführten Listen privat genutzte Lkw und geländegängige Fahrzeuge zu konfiszieren und der militärischen Nutzung zuzuführen, gleiches gilt für die bei der DB Cargo lagernden Kriegsfallersatzbrücken. Die Kernaufgabe der Heimatschutzregimenter ist die „Aufmarschunterstützung für NATO-Kräfte“ im weitesten Sinne, inklusive der Bekämpfung von Protest und Sabotage.

Am 30. Januar des vergangenen Jahres unterzeichneten Deutschland, die Niederlande und Polen anlässlich eines „Symposiums zur militärischen Mobilität“ in Brüssel ein Dekret zur Einrichtung eines „ersten militärischen Transitkorridors“ von den Nordseehäfen Bremerhaven, Vlissingen-Oost und Eemshaven (Niederlande) auf polnisches Gebiet (Länge über 1.200 Kilometer). Befohlen ist die schnellstmögliche Verlegung hunderttausender NATO-Soldaten und einer fünfstelligen Anzahl von schwerem Gerät (Lkws, Panzer, Artilleriegeschütze, Raketenstellungen) an die NATO-Ostflanke. Auf deutschem Gebiet übernimmt das 2021 in der Ulmer Wilhelmsburg-Kaserne eingerichtete „Joint Support and Enabling Command“ (JSEC) die Koordination sämtlicher Truppen- und Materialbewegungen auf Güterbahnstrecken und Fernstraßen. Geübt hat der Heimatschutz die Sicherung der Teil- und Ganzstreckentransporte im Großmanöver „National Guardian 2024“.

Generalmajor Andreas Henne, frischgebackener Kommandeur der Heimatschützer, erzählt gern davon, wie die „Trennlinien unseres klassischen Verständnisses von Frieden, Krise und Krieg verschwimmen“ und „die Schwelle zum Krieg unmerklich verschoben wird“. Mitten in der Vorkriegsphase ist die Aufgabe enorm, die Zeit drängt. Hennes Konzept für die Kriegsfreiwilligen lautet: Bereit sein zum „fight tonight“. Ein ganzes „Jahr für Deutschland“ werden dann nur die wenigsten erleben.

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"Krieger für die Heimatfront", UZ vom 25. April 2025



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