Über den Marsch der West-Ökonomien in die Überschuldung

Krieg und Börsencrash

Binnen drei Börsentagen fiel der japanische Leitindex von rund 39.188 auf 31.156 Punkte. Ein Verlust von 20,59 Prozent. Von seinem Maximum am 11. Juli von 42.426 Punkten fiel der Nikkei um mehr als ein Viertel, um 26,56 Prozent. Das Ereignis erschütterte die Börsen des Werte-Westens erheblich. Der Dax und der Dow Jones gaben mehrere tausend Punkte nach, insbesondere die Technologie-Börse Nasdaq war betroffen. Sie verlor in diesem Zeitraum 15,73 Prozent ihres Wertes.

Nun ist das hier nicht der Ort, an dem man sich besondere Sorgen um die Profite der Finanzzocker macht. Die Frage ist eher: wie kann man die ursächlichen Prozesse verstehen und was bedeutet das für die Zukunft? Finanzcrashs wie 1929 oder 2007 waren die Vorboten für massive realökonomische Krisen. Auf der Oberfläche betrachtet, gibt es die gegenläufige Zinspolitik der Zentralbanken. Nach Jahren der Nullzinspolitik, als die Finanzmärkte mit kostenlosen Krediten geflutet und gewaltige Schuldenbestände aufgebaut wurden, beginnen nun die Zentralbanken, diese Schulden teurer zu machen. Gewissermaßen den Drogensüchtigen den Stoff zu verteuern.

Dabei verfolgen sie unterschiedliche Strategien. Während die US-Notenbank, Federal Reserve (Fed), zuletzt den Leitzins gesenkt hatte, hat die Bank of Japan (BoJ) den Leitzins um ein Viertelprozent erhöht. Die Spekulationen der Carry-Traders, die solche Differenzen für ihre Spekulation ausnutzen, können bei geringfügigen Zinsänderungen zusammenbrechen. Das dürfte bei der letzten Zinserhöhung der BoJ am 31. Juli der Fall gewesen sein.

Realökonomisch betrachtet ist die Lage der westlichen Leitökonomien geradezu desaströs. Japan weist eine Staatsverschuldung von 263 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) auf. In den USA sind es 123 Prozent. In Deutschland zwar nur 64 Prozent, aber die Perspektive ist durch steigende Rüstungsausgaben und die systematische Ruinierung der Wirtschaft trübe. Die USA sind im Staat mit mehr als 35 Billionen Dollar verschuldet, die gesamtgesellschaftliche Verschuldung (Staat, Unternehmen, Privat) beträgt 101,5 Billionen. Für diese Schulden muss der Finanzminister in diesem Jahr 911 Milliarden Dollar Zinsen zahlen – das ist mehr als das gewaltige US-Rüstungsbudget. Die Zinsen der Gesamtschulden schlagen mit 4.670 Milliarden Dollar zu Buche, was etwa einem Fünftel der US-BIP entspricht. Seit der neoliberalen Gegenreformation hat der Marsch der West-Ökonomien in die Überschuldung begonnen. Er dürfte an diesem Punkt mit konventionellen Methoden kaum noch aufzuhalten sein.

Mit der Entwicklung monetärer und ökonomischer Souveränität der eurasischen Staaten und des Globalen Südens steht der Export der Verschuldung und die Ausbeutung dieser Regionen über den US-Dollar in Frage. Der Aufschwung von BRICS & Co. sowie die De-Dollarisierung sind in der Sicht der US-Strategen eine existentielle Bedrohung. Zusätzlich tragen die von Washington angezettelten Kriege in Osteuropa und Südwestasien zur massiven Destabilisierung des Werte-Westens bei. Die bevorstehende dramatische Ausweitung der israelisch/US-amerikanischen Aggression auf den Libanon, den Iran, Irak und Jemen könnte zu einem gravierenden Engpass in der globalen Energieversorgung führen. Zum Beispiel durch die Blockade der Straße von Hormus. Die ökonomischen Konsequenzen wären kaum abzusehen. Eine schwere Rezession dürfte jedenfalls kaum zu vermeiden sein. Ein Ereignis dieser Kategorie kann nicht nur alle Spekulationswetten platzen lassen, es setzt darüber hinaus die Existenz von Millionen Menschen ins Risiko.

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"Krieg und Börsencrash", UZ vom 9. August 2024



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