Marxistische Blätter 1_2016
Krieg, Terror, Flucht
128 Seiten, 9,50 Euro
Zu bestellen bei Neue Impulse Verlag
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Was muss für MarxistInnen in der Arbeiterbewegung – als die wir uns verstehen – im Zentrum stehen, wenn sie ein Schwerpunktheft zum Thema „Flucht“ machen? Natürlich die Fluchtursachen. Sie vor allem müssen wir begreifen lernen, begreifbar machen und aufzeigen, wo man sie an der Wurzel packen kann und muss. Und dann die brennende Frage nach Alternativen, wie vor allem der soziale Sprengstoff, der zweifellos im „Flüchtlingsproblem“ – verstanden als „Arbeiterwanderung“ – steckt, im Interesse der Arbeitenden (!) gelöst werden kann.
Das versuchen unsere AutorInnen sehr detailliert und konkret. „Die Fluchtursache Nr. 1 ist und bleibt der Krieg; aber die Kriegsursache Nr. 1 ist und bleibt der globale Kapitalismus“, so das Fazit von Ingar Solty. „Die USA und der ‚Westen‘ sind für die Flüchtlingskrise verantwortlich, weil sie imperial(istisch)e Besatzungs-, Luft- und Stellvertreterkriege führen; aber sie führen diese Kriege oft und ‚müssen‘ sie führen, weil sie zuvor die Globalisierung des Kapitalismus forciert haben. … Der direkte Zwang (Krieg) ist oft bloß die Reaktion auf den Erfolg des indirekten, nur scheinbar gewaltlosen, strukturellen Zwangs (schuldenimperialistische Freihandelsabkommen etc.).“
Sabine Lösing, Europaparlamentsabgeordnete der Partei „Die Linke“, beleuchtet in ihrem Beitrag Afrika als eines der wesentlichen Zielgebiete der europäischen Militärpolitik. Sie skizziert dabei vor allem den interessenpolitischen Hintergrund: „Erstens steht hier das Bestreben, die Länder des unmittelbar angrenzenden Nachbarschaftsraumes möglichst eng in die europäische Einflusszone zu integrieren; zweitens handelt es sich dabei ganz profan um das Interesse an der Absicherung bzw. der Kontrolle zentraler Rohstoffe und Handelswege; drittens ist die EU bestrebt, die armutsbedingten Konflikte der neoliberalen Globalisierung notfalls militärisch halbwegs unter Kontrolle zu halten; und schließlich spielt gerade in jüngster Zeit die militärische Abschottung und wo möglich die Vorverlagerung der Migrationsbekämpfung eine immer wichtigere Rolle.“
Die Herrschenden und ihre Medien wollen genau solche Zusammenhänge und ihre Verantwortung Krieg, Armut und auch Terror verschleiern. Sie fokussieren unseren Blick auf (islamistische!) Sprengstoffanschläge – hinterhältige wie in Paris und halluzinierte wie im Hannoveraner Fußballstadion –, die „unsere“ Sicherheit bedrohen, worauf reflexartig vor allem sicherheitspolitisch reagiert wird: mit schärferen polizeistaatlichen Kontroll- und Repressionsmaßnahmen, die sich nicht nur gegen die Heimatvertriebenen richten. Und mit „Anti-Terror-Kriegseinsätzen“, vor denen noch mehr Menschen flüchten werden. Dazu gibt es Alternativen! Claus Schreer (isw) entwickelt in seinem Beitrag „Alternativen zur Festung Europa“ u. a. einen konkreten Forderungs- und Maßnahmenkatalog.
Natürlich steckt in der „Flüchtlingsfrage“ Sprengstoff, aber nicht in den Koffern derer, die als Schutzsuchende zu uns kommen. In ihr steckt vor allem politischer Sprengstoff. Unüberhörbar das Knarren im Gebälk und das Knurren in den Chefetagen der EU-Staaten und der Berliner GroKo. Unübersehbar der europaweite Rechtsdrall bei Wahlen, wie jüngst in Frankreich. Unübersehbar auch der Anstieg rassistischer Gewalt, der allein mit bundesdeutscher „Willkommenskultur“ nicht zu stoppen ist.
Denn der explosivste Sprengstoff ist der soziale Sprengstoff, der in der „Flüchtlingsfrage“ steckt. Vor allem der muss verstanden und entschärft, statt weiter verschärft zu werden. In Resolutionen des jüngsten IG-Metall-Kongresses, über den Anne Rieger berichtet, und des jüngsten Parteitag der DKP wird das versucht, wie auch in einem Beschluss des Ortsvorstandes Berlin der Eisenbahner- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) – Resolutionen, die noch mit Leben gefüllt und in Bewegung umgesetzt werden müssen. Da ist neben der Friedens- und Antifa-Bewegung, auf die sich Cornelia Kerth, Bundessprecherin der VVN-BdA, in ihrem MBl-Beitrag ausführlich bezieht, vor allem viel mehr Engagement und Widerstand der organisierten Arbeiterbewegung gefordert.
Darum machen wir im Schwerpunkt auch einen kleinen Ausflug ins Grundsätzliche. In einem älteren, aber hochaktuellen Beitrag von Lothar Elsner erinnern wir daran, worüber Vordenker der Arbeiterbewegung, nämlich Marx, Engels und Lenin, beim Thema „Arbeiterwanderung“ nachgedacht haben. Im Beitrag von Tom Vickers wird am durchaus übertragbaren Beispiel Großbritannien u. a. die grundlegende politische Funktion des Asylsystems beleuchtet, in dessen Zentrum mitnichten die Rechte und Interessen der Asyl- und Arbeitsuchenden stehen.