Zu US-Raketen und Vorschlägen für eine neue Weltordnung aus Moskau

Krieg oder Frieden

Inzwischen müssen selbst die verbohrtesten Washingtoner Kriegstreiber klammheimlich zugestehen: Das Ukraine-Projekt, die strategische Schwächung der Russischen Föderation, ist gescheitert. Und zwar sowohl militärisch als auch diplomatisch, ökonomisch und währungspolitisch. Russland ist nicht „ruiniert“, sondern stärker als zuvor. Was also tun?
Üblicherweise, wie zuletzt in Afghanistan, erklärt sich der „Werte-Westen“ zum Sieger und breitet den Mantel des Schweigens über das Desaster. Der NATO-Gipfel in Washington wäre dazu eine gute Gelegenheit gewesen. Doch nichts dergleichen geschah. Im Gegenteil, die Abschlusserklärung strotzt nur so vor militanten Aufrüstungsstatements und ist gleichzeitig bar jeder strategischen Konzeption. Im Klartext, weitere hunderttausende junger Menschen sollen in einem verlorenen Krieg sinnlos verheizt werden.

Doch nicht nur das, auch die KDVR (Nordkorea), Iran, Belarus und die VR China wurden als Helfershelfer, ohne die „der russische Angriffskrieg“ nicht möglich sei, an den Pranger gestellt. Die Propaganda für die Konflikte in Südwestasien und im Südchinesischen Meer laufen längst auf Hochtouren. Die VR China wird als „systemische Herausforderung der euro-atlantischen Sicherheit“ angeprangert.

Entscheidend aber dürfte die am Rande des Gipfels verkündete Entscheidung Washingtons sein, ab 2025 atomwaffenfähige Mittelstreckenwaffen in Deutschland zu stationieren. Diese Waffen mit einer Reichweite von 2.700 Kilometern können dann Ziele tief im Inneren Russlands, weit hinter Moskau, erreichen und verkürzen die Vorwarnzeit für Russland auf wenige Minuten. Die strategische Konstellation der 1980er Jahre wiederholt sich, allerdings mit deutlich schnelleren Raketen. Das von Ronald Reagan und Michael Gorbatschow ausgehandelte Verbot dieser Waffenkategorie im INF-Vertrag war 2019 von den USA aufgekündigt worden.

Washington ist dabei, seinen Krieg gegen Russland mangels konventioneller Fähigkeiten auf die nukleare Ebene zu heben. Das seinerzeit für die Pershing II zuständige 56. US Artillery Command wurde bereits 2021 reaktiviert und soll nun von deutschem Boden die neuen Raketen ins Ziel steuern. Die Arbeiten an diesen Waffen haben längst begonnen. Deutschland wird damit das Ziel russischer Gegenschläge werden. Die Ampel findet das toll. Die US-geführte NATO ist unter dem Beifall Berlins auf einer Suizidmission.

Die Unfähigkeit der UN-Strukturen, auf die von Washington inszenierte gefährliche Zuspitzung in mehreren Großkonflikten zu reagieren, hat den Außenminister Russlands, Sergej La­wrow, zu einer Initiative zur „Bildung einer gerechteren, demokratischeren und nachhaltigeren Weltordnung“ veranlasst.

Die 1945 gegründete UNO repräsentiert das seinerzeit entstandene globale Kräfteverhältnis und gibt dem Westen, vor allem im Sicherheitsrat, ein deutliches Übergewicht und die Möglichkeit, alle ihm nicht genehmen Entscheidungen zu blockieren. Nun, fast 80 Jahre später, kämpft das US-Imperium um seine Weltmachtposition, was die UNO praktisch lahmlegt. Lawrow prangerte detailliert die Willkür und Doppelmoral einer vom Westen verkündeten „regelbasierten Ordnung“ an, die mit einem für alle gültigen Völkerrecht, niedergelegt in der UNO-Charta, nichts zu tun habe. Eine Reform der internationalen Ordnung müsse die neu entstandenen Realitäten einer Multipolarität widerspiegeln und „die Repräsentanz Asiens, Afrikas und Lateinamerikas“ im Sicherheitsrat und anderen internationalen Organisationen stärken. Eine Herkules-Aufgabe.

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"Krieg oder Frieden", UZ vom 26. Juli 2024



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