Während zwischen Russland und der Ukraine am Montagnachmittag in der belarussischen Region Gomel fünfstündige Friedensgespräche stattfanden, lief in der EU und der Bundesrepublik das Kontrastprogramm: Karneval für die Rüstungsindustrie.
Der Leiter der russischen Delegation bei den Friedensgesprächen, Wladimir Medinski, Berater des russischen Präsidenten, erklärte zu Beginn, die russische Delegation sei bereit, mit der ukrainischen Seite so lange zu verhandeln, wie es nötig sei, um zu Vereinbarungen zu gelangen. Er wurde von der Agentur Interfax mit den Worten zitiert: „Wir haben vor allem vereinbart, den Verhandlungsprozess fortzusetzen.“ Die Kiewer Delegation hatte eine unverzügliche Feuereinstellung und den Abzug der russischen Truppen gefordert. Bereits vor den Verhandlungen äußerte sich der ukrainische Präsident Wladimir Selenski skeptisch zu den Erfolgsaussichten und verlangte die sofortige Aufnahme seines Landes in die EU. Die Verhandlungen in Gomel sollten am Mittwoch (nach Redaktionsschluss) fortgesetzt werden.
EU und NATO sowie die Bundesregierung klotzen gleichzeitig mit gigantischen Waffenlieferungen. Die EU hatte am Sonntag beschlossen, eine halbe Milliarde Euro dafür zur Verfügung zu stellen. 450 Millionen Euro davon sind für Waffen, 50 Millionen für Treibstoff und Schutzausrüstungen und anderes vorgesehen. Der Beschluss trat am Montag in Kraft. Das Material soll über einen Logistikstützpunkt in Polen in die Ukraine gebracht werden. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell teilte außerdem mit, das EU-Satellitencenter in Madrid werde weltraumgestützte Spionageerkenntnisse an Kiew liefern. Das russische Außenministerium bezeichnete den EU-Beschluss als „selbstentlarvend“. Er markiere das Ende „der europäischen Integration als ‚pazifistisches‘ Projekt“. Die Entscheidung verstoße zudem gegen alle Kriterien des EU-Gipfelbeschlusses vom 8. Dezember 2008 zur „Festlegung gemeinsamer Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern“.
Ebenfalls am Montag kündigte der deutsche Regierungssprecher Steffen Hebestreit in Berlin an, die Bundesregierung wolle das NATO-Ziel zu Verteidigungsausgaben in Höhe von mindestens 2 Prozent der Wirtschaftsleistung bereits dieses Jahr erreichen – zwei Jahre früher als bisher zugesagt. Helfen solle dabei der von Kanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonntag verkündete 100 Milliarden Euro schwere Sonderfonds für die Bundeswehr. Er solle so schnell wie möglich errichtet und im Grundgesetz verankert werden – er steht damit außerhalb der „Schuldenbremse“. Am 16. März werde der Haushaltsentwurf für 2022 im Kabinett beraten. Am eiligsten hatte es die Koalition mit den am Samstag bekanntgegebenen deutschen Waffenlieferungen an Kiew. Sie wurden ebenfalls am Montag auf den Weg gebracht. Dabei gehe es nicht um Tage, sondern um Stunden, so Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD). Die Lieferung umfasst Panzerfäuste und Luftabwehrwaffen vom Typ „Stinger“. Das Ministerium gab zudem bekannt, dass die Bundeswehr Flugabwehrraketen vom Typ „Patriot“ in die Slowakei verlegt.
Die Aktien westeuropäischer Rüstungsunternehmen machten angesichts dieser Nachrichten am Montag Kurssprünge. Aktien von Rheinmetall notierten zeitweise so hoch wie nie und lagen schließlich um knapp 25 Prozent im Plus. Für die Aktien des Rüstungselektronik-Herstellers Hensoldt ging es um fast 43 Prozent nach oben. Auch ThyssenKrupp profitierten mit etwas mehr als 11 Prozent. Zudem zogen die Papiere des Anbieters von Sicherheitssoftware Secunet um weitere 20 Prozent hoch. An der Londoner Börse legten BAE Systems um etwa 10 Prozent zu. In Paris gingen die Aktien von Thales mit einem Plus von rund 12 Prozent aus dem Handel.
In Deutschland wie in anderen Ländern gab es am Wochenende Proteste gegen den Krieg in der Ukraine. Sie finden statt, weil die Menschen keinen Krieg wollen. Die Propaganda der Herrschenden hat ihnen vermittelt, dass es nur das schuldige Russland gibt, NATO-Osterweiterung und der ukrainische Krieg gegen den Donbass sind vergessen. So werden sie leichtes Opfer einer Strategie, die den Friedenswunsch der Bevölkerung für den Kriegs- und Rüstungskurs der NATO instrumentalisiert. Die Bundesregierung setzt diesen Kurs bereits um, bezahlen müssen ihn die Menschen – dagegen regt sich bisher kaum Protest.