Paris und Brüssel streiten über europäische Militärpolitik

Krieg, aber wie?

Von www.german-foreign-policy.com

In den anhaltenden deutsch-französischen Auseinandersetzungen darum, wie auf lange Sicht eine einheitliche europäische Streitmacht aufgebaut werden soll, setzt Berlin nach wie vor auf PESCO (Permanent Structured Cooperation). Sie zielt vor allem darauf ab, die militärischen Kapazitäten der EU-Staaten enger aufeinander abzustimmen und sie gemeinsam weiterzuentwickeln. Beteiligt sind 25 der 28 EU-Staaten, ausgenommen sind Britannien, weil es die EU verlässt, Dänemark, da es nach dem Nein der dänischen Bevölkerung zum Vertrag von Maastricht mit dem „Opt-Out“ eine Ausnahmeregelung erhalten hat, um zum Beispiel EU-Militärpolitik nicht umsetzen zu müssen, und Malta, das noch an seiner militärischen Neutralität festhalten will. Im Rahmen von PESCO sind bislang 17 Projekte beschlossen worden; schon in Kürze sollen weitere hinzugefügt werden. Berlin koordiniert vier Vorhaben: den Aufbau eines Europäischen Sanitätskommandos, die Bildung eines Netzwerks logistischer Drehscheiben, die Gründung eines Kompetenzzentrums für EU-Trainingseinsätze sowie das Projekt EUFOR Crisis Response Operation Core.

Mit PESCO zielt die Bundesregierung darauf ab, die Streitkräfte der EU-Staaten enger miteinander zu verschmelzen, um langfristig eine Basis für gemeinsame Kriege zu schaffen. Um auch die Rüstungsindustrien der EU-Länder stärker miteinander zu verzahnen, hat Brüssel zudem den EU-Rüstungsfonds geschaffen, der nun drastisch aufgestockt werden soll: Lag sein Budgetposten im zu Ende gehenden EU-Haushaltszeitraum (2014 bis 2020) noch bei 575 Millionen Euro, so soll er in der künftigen Etatperiode (2021 bis 2027) auf 17,22 Milliarden Euro verdreißigfacht werden. Laut aktuellem Planungsstand können die Mittel ohne Kontrolle durch das Europaparlament vergeben werden. Parallel zu den Aktivitäten im Rahmen der EU treibt Berlin auch die engere Zusammenarbeit mit den Streitkräften ausgewählter europäischer NATO-Verbündeter voran, so zum Beispiel mit der Marine Norwegens, das der NATO, nicht aber der EU angehört.

Paris setzt andere Schwerpunkte. Hintergrund ist, wie es in einer im Juni publizierten Analyse der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) heißt, dass die französischen Streitkräfte stark „überlastet“ sind und die Regierung händeringend nach Unterstützung für jetzige und für künftige Einsätze sucht. Brüssel hat bisher kaum etwas beigetragen; „die EU-Strukturen“ hätten sich, bilanziert die DGAP, „als wenig hilfreich für schnelle Interventionen erwiesen“. Dafür sucht die französische Regierung nun Abhilfe zu schaffen – mit der Europäischen Interventionsinitiative (IEI), die Präsident Emmanuel Macron am 26. September 2017 in seiner programmatischen Rede an der Sorbonne angekündigt hat. An ihr nahmen bislang neun Staaten teil; von einer Art „Koalition der Willigen“ ist die Rede. IEI ist formal nicht Teil der EU-Militärpolitik, sie ist auf die teilweise äußerst langwierigen Entscheidungsprozesse innerhalb der Union nicht angewiesen.

Vor der IEI-Zusammenkunft am 7. November haben Paris und Berlin ihre Auseinandersetzungen erneut in die Öffentlichkeit getragen. Die Bundesregierung hatte schon bei der Gründung der Initiative dafür gesorgt, dass Macron seine Vorstellungen nur teilweise realisieren konnte: So beschränkt die IEI sich bisher auf die regelmäßige Koordination der beteiligten nationalen Stäbe auf der militärischen Führungsebene; Ziel ist zunächst die Entwicklung gemeinsamer Lageanalysen und gemeinsamer Interventionspläne. Nun hat Macron verlangt, „eine wirkliche europäische Armee“ aufzubauen. Den Vorstoß, der darauf abzielt, der IEI weitere Kompetenzen zuzusprechen, begründete er modisch mit der Aussage, „Europa“ müsse in der Lage sein, „sich allein zu verteidigen, ohne gänzlich von den USA abhängig zu sein“. Bundesverteidigungsministerin von der Leyen hat Macron umgehend widersprochen und klargestellt, dass die Bundesregierung weiterhin auf PESCO anstelle der von Paris initiierten IEI setzt: „Eine europäische Armee muss innerhalb der Europäischen Union aufgestellt werden und nicht außerhalb.“

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"Krieg, aber wie?", UZ vom 16. November 2018



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