Jugendorganisationen diskutierten auf der Rosa-Luxemburg-Konferenz über Krise und Pandemie

Kranker Kapitalismus

Pandemiebedingt musste die als Jahresauftakt der Linken aller Couleur geltende „Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz“ am vergangenen Wochenende als Livestream im Netz stattfinden. Trotzdem war sie ein großer Erfolg. Mehr als 12.000 Endgeräte schalteten sich während der Übertragung zu. Die Reichweite der Konferenz war damit mehr als drei Mal so groß wie in den Jahren zuvor. Neben Beiträgen des politischen Gefangenen in den USA, Mumia Abu-Jamal, dem Chefredakteur der britischen Zeitung „Morning Star“, Ben Chacko, zur Situation des inhaftierten Journalisten Julian Assange, hielten der Philosoph Stefano Azzarà aus Italien, die Politologin Donna Murch aus den USA und die Ökonomin Radhika Desai aus Kanada bemerkenswerte Beiträge.

Einen guten Überblick über Diskussionen, die derzeit in den verschiedenen politischen Jugendbewegungen geführt werden, bot das auch in diesem Jahr von der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) organisierte Jugendforum. Unter dem Motto „Der Kampf der Jugend in Zeiten von Krise und Pandemie“ diskutierten verschiedene Vertreterinnen und Vertreter antikapitalistischer, migrantisch geprägter und gewerkschaftlicher Jugendorganisationen. Sie sprachen über mögliche Bündnisse im Kampf gegen Ausbeutung, Rassismus, Klima- und Umweltzerstörung.

Leon Sierau, der für die SDAJ an der Debatte teilnahm, erläuterte, dass man es aktuell keineswegs nur mit einer Corona-Krise, sondern auch mit einer Krise des Kapitalismus zu tun habe. Schließlich fehlten in den Kommunen über 13 Milliarden Euro. Es drohten weitere Einschnitte für arbeitende Menschen, die einmal mehr die Kosten der Krise zu tragen hätten. Dem widersprachen auch die anderen Diskussionsteilnehmer nicht, die sich ebenfalls der Frage widmeten, was die durch die aktuelle Pandemie verschärften Missstände und zunehmenden Angriffe von oben für ihre Organisation, Strategie und Kämpfe bedeuten.

So berichtete Roylan Tolay von der DIDF-Jugend, dass nicht alle Menschen gleichmäßig von der Pandemie und ihren Auswirkungen betroffen seien. Es gebe klare Gewinner und Verlierer der Krise, betonte die junge Frau, die in einem Jugendzentrum tätig ist und dort viele konkrete Erfahrungen mit den Folgen sozialer Verwerfungen macht.

Erik Busse, Mitglied der Bundestarifkommission „Öffentlicher Dienst“ bei ver.di und Krankenpfleger in einer großen Klinik in Nordrhein-Westfalen, berichtete von seinen Erfahrungen bei den Tarifverhandlungen und warnte, dass die Tarifauseinandersetzungen der nächsten Jahre „hart werden“. Man könne diese harten Kämpfe nur gemeinsam gewinnen, sagte er und forderte junge Menschen auf, den Kampf der Gewerkschaften zu unterstützen.

Unterschiedliche Zugänge der Podiumsteilnehmer wurden bei der Diskussion über den Umgang mit Massenbewegungen von Jugendlichen wie „Fridays for Future“ und „Black Lives Matter“ deutlich. Während Roylan Tolay sagte, ihre Organisation habe versucht, sich überall einzubringen und antikapitalistische Kerne zu bilden, um die Bewegungen zu lenken zu versuchen, betonte Leon Sierau, dass man in Bewegungen wie „Fridays for Future“ dafür arbeiten müsse, von einer Kritik des individuellen Konsums zur Systemkritik zu kommen. Man müsse mit den jungen Leuten zusammenarbeiten und dürfe „nichts oktroyieren“. Ein Problem der beiden genannten Bewegungen sei jedoch, dass sie nur begrenzt unter arbeitenden Menschen verankert seien. Erik Busse zeigte eine Reihe von Kooperationsmöglichkeiten unterschiedlicher sozialer Bewegungen auf und berichtete von gemeinsamen Aktivitäten der Umwelt- und der Gewerkschaftsbewegung.

Sascha Hevalski als Vertreter der „North East Antifa Berlin“ berichtete von „Spannungen“ zwischen den Umwelt- und Klimaschutzaktivisten, wie sie etwa bei den Protesten gegen den Kohleabbau in der Lausitz zu Tage traten. Diese seien jedoch zu umgehen, indem man die Position der „Arbeitnehmer“ berücksichtige und sich keinen zu schlanken Fuß mache, indem man einfach den sofortigen Kohleausstieg fordere, ohne die damit verbundenen Schicksale der Arbeiter zu berücksichtigen.

Das von Carolin Zottmann von der SDAJ kompetent moderierte Podium zeigte unterschiedliche Zugänge zu den Fragen und Auseinandersetzungen dieser Zeit auf, die jedoch durchweg solidarisch diskutiert wurden. Das macht Hoffnung für kommende politische Auseinandersetzungen.

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"Kranker Kapitalismus", UZ vom 15. Januar 2021



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