Forderungen überzeugen, Unterschriften fehlen

Krankenhäuser am Bedarf ausrichten

Die UZ sprach mit Claudia Lenden über den Stand der Unterschriftensammlung der Volksinitiative „Gesunde Krankenhäuser in NRW – für alle“. Claudia Lenden ist Stellvertretende Sprecherin des „Bündnisses für ein gemeinwohlorientiertes Gesundheitswesen“, das die Volksinitiative trägt, Pflegefachkraft an einem Kölner Krankenhaus und aktiv bei „Pflege am Boden Köln“.

UZ: 66.000 Unterschriften sind nötig, damit der Landtag sich mit der Volksinitiative befassen muss. Wie viele haben Sie bisher gesammelt?

320302 - Krankenhäuser am Bedarf ausrichten - Gesundheitswesen, Krankenhaus - Wirtschaft & Soziales
Claudia Lenden (Foto: Privat)

Claudia Lenden: Ungefähr ein Drittel. Das liegt an den Einschränkungen durch die Lockdowns, wir konnten nicht wie sonst auf die Straße gehen und sammeln. Für die Volksinitiative brauchen wir händische Unterschriften, das ist anders als bei Petitionen, wo man auch online unterschreiben kann. Und die Unterzeichner müssen ihre Adresse angeben, damit scheinen manche ein Problem zu haben. Die DKP unterstützt ja die Volksinitiative, deshalb auch hier der Appell: Wir brauchen noch mehr Aktivität, um die Sache zum Erfolg zu machen.

UZ: Als die Unterschriftensammlung im vergangenen Jahr gestartet ist, war der Lockdown nicht abzusehen. Verhindert die Pandemie, dass die Volksinitiative ein Erfolg wird?

Claudia Lenden: Ich glaube schon, dass die Pandemie ein großes Problem ist. Normalerweise stellen wir uns mit Infoständen auf die Straße, das ging nur begrenzt. Viele Kundgebungen sind ausgefallen, auch die am 1. Mai. Das wären sonst Tage gewesen, an denen wir viele Unterschriften bekommen hätten. Unsere Kölner Gruppe „Pflege am Boden“ hat sonst jeden Monat einen Flashmob gemacht. Das ging im vergangenen Jahr auch nicht. Ich unterstütze die Hygienemaßnahmen, ich habe selbst auf einer Corona-Station gearbeitet und weiß, wie schlimm eine Covid-Erkrankung sein kann. Aber das hat uns das Unterschriftensammeln schwer gemacht.

UZ: Zeigen die neuen Gesetze des Bundesgesundheitsministers nicht, dass die Regierung sich selbst um bessere Krankenhäuser kümmert?

Claudia Lenden: Die Volksinitiative richtet sich ja zunächst an das Bundesland. Das Geld für Investitionen fehlt, das bringt gerade kleinere Krankenhäuser in existenzielle Nöte. Die Investitionskosten der Krankenhäuser sind Ländersache, da gibt es wenig Fortschritte. Zuletzt sind im Norden Essens sogar zwei Krankenhäuser geschlossen worden, weil sie nicht mehr gewinnbringend waren. Der Essener Norden ist gerade der sozial schlechter gestellte Teil der Stadt.

Da kann man nicht sagen: Der Markt regelt die Versorgung. Krankenhäuser müssen gut erreichbar sein, auch in ländlichen Gebieten, auch wenn man nicht mit dem Auto unterwegs ist – nicht nur für Patienten, auch für Besucher.

UZ: Die Landesregierung sagt auch, dass sie an einer besseren Versorgung arbeitet.

Claudia Lenden: Sagt sie, aber das sehen wir nicht. Da müssten ja alle einbezogen werden – nicht nur Fachleute aus der Wirtschaft, sondern auch Vertreterinnen und Vertreter der Patienten, der Ärzteschaft, der Pflege. Alle, die betroffen sind – und das sind wir alle. Irgendwann müssen wir alle mal ins Krankenhaus – vielleicht auch, weil es um etwas Schönes geht, um eine Geburt. Auch Entbindungsstationen werden immer öfter geschlossen, weil sie nicht gewinnbringend sind – aber Kinder sind ein Gewinn für unsere Gesellschaft, warum muss die Geburt Geld bringen?

UZ: Sie sind selbst Pflegefachkraft. Können Sie am Arbeitsplatz Unterschriften sammeln?

Claudia Lenden: Das mache ich, aber wir können im Moment nicht mit den Listen in ein beliebiges Krankenhaus gehen. ver.di bemüht sich, über die Betriebsräte zu sammeln. Aber viele dieser Kolleginnen und Kollegen sind wegen der Pandemie im Home-Office und nicht im Krankenhaus präsent. Diese Pandemie hat alle im Krankenhaus gefordert – es haben zwar alle geklatscht, aber wenn man nicht dort arbeitet, kann man sich nicht gut vorstellen, wie anstrengend die Arbeit gerade zu dieser Zeit war.

UZ: Heißt das, dass die Kolleginnen und Kollegen zu erschöpft sind, um aktiv zu werden?

Claudia Lenden: Viele Kolleginnen in der Pflege bleiben prinzipiell eher passiv. Das sieht man an der Beteiligung in Gewerkschaften und solchen Initiativen. Gerade für jüngere Kolleginnen ist es sehr schwer, in diesem Beruf noch politisch aktiv zu sein. Ich bin schon alt, meine Tochter ist erwachsen, meine Enkelin ist schon elf – ich habe Zeit. Aber eine dreißigjährige Kollegin mit zwei Kindern muss alles so organisieren, dass sie neben dem Schichtdienst Zeit für die Familie hat. In der Pflege arbeiten überwiegend Frauen, die Doppelbelastung durch Arbeit und Familie ist größer als in Berufen, in denen überwiegend Männer arbeiten. Da ist es sehr schwer, aktiv zu sein.

UZ: Ist es überhaupt noch möglich, die nötigen Unterschriften zu sammeln?

Claudia Lenden: Wenn ich darüber spreche, wofür die Volksinitiative steht, dann ist allen klar, dass unsere Forderungen richtig sind. Die Krankenhäuser haben Vorhaltekosten, eine Intensivstation zum Beispiel muss eben immer besetzt sein. Das bildet das DRG-System aber nicht ab, das bildet nur ab, was wir tatsächlich an Patienten haben. Das verstehen alle Gesprächsteilnehmer.

Im Krankenhaus sind die Personalkosten eben das, wo man am effektivsten sparen kann. Jetzt wird die Pflege nicht mehr nach DRGs abgerechnet, sondern voll gegenfinanziert. Das Ergebnis ist, dass zum Beispiel der Sana-Konzern Entlassungen plant in den Servicebereichen – die Pflegekräfte sollen die Arbeit mit machen, obwohl die Pflegekräfte sowieso fehlen. Auch bei den Ärzten werden die Stellenschlüssel inzwischen so reduziert, dass es gefährlich wird. Es geht nicht nur um die Pflege, es geht um das System der privaten Krankenhäuser, an denen Aktionäre verdienen. Ich arbeite seit 1980 im Krankenhaus, ich habe gesehen, wie es kontinuierlich schlechter geworden ist.

UZ: Es ist also möglich, Menschen von der Volksinitiative zu überzeugen.

Claudia Lenden: Ja, ist es. Ich höre allerdings häufiger: Wenn ich die Adresse angeben muss, möchte ich doch nicht unterschreiben. So etwas ist mir fremd, weil ich nie mit meiner Meinung hinterm Berg gehalten habe. Und es ist schwierig, zu sammeln, weil so viele Aktionen ausfallen müssen. Aber wenn man Leute anspricht, unterschreiben sie oft.

UZ: Wie wollen Sie die Unterschriftensammlung jetzt organisieren? Was sind die nächsten Aktionen?

Claudia Lenden: Wir rechnen damit, dass es im Rahmen des Wahlkampfs einige Aktionen geben wird. Zu den Unterstützern gehören ja die SPD, die Grüne Jugend, die Linkspartei, die DKP – die Parteien links der Mitte sind auf unserer Seite.

Wir planen im Moment keine großen Aktionen, sondern eher Aktionen der Gesundheitsbündnisse, die es in den größeren Städten gibt. Am 4. September soll es eine Aktion geben, zu der Kandidaten der Parteien eingeladen und befragt werden, wie es mit der Gesundheitsversorgung weitergehen soll. Und wir kommen zu vielen Aktionen anderer Organisationen dazu. Im Ruhrgebiet und im Raum Köln-Bonn funktioniert das ganz gut, in Richtung Siegen oder in der Eifel ist es schwieriger. In einigen Gebieten NRWs klappt das sehr gut, aber in anderen sind wir noch nicht gut genug vertreten. Also: Wir sind gerne bereit, zu Veranstaltungen zu kommen und uns einzubringen.

Es ist auch über NRW hinaus wichtig, dass wir die Unterschriften bekommen – wenn wir hier scheitern, wird das wohl die letzte Volksinitiative für eine bessere Gesundheitsversorgung gewesen sein.

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"Krankenhäuser am Bedarf ausrichten", UZ vom 13. August 2021



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