Zum Thema Krankmeldung

Krank ist krank!

Tim Laumann

Die nächste kapitalistische Krise kündigt sich an, die Kriegspolitik des deutschen Kapitals verschärft sie. Die Abwälzung der Krisenlasten beginnt im Betrieb. Schon zur großen Krise 1974/75 sangen „Floh de Cologne“: „Die Mieten und die Preise stiegen / nur der Preis für Arbeit nicht. / Krankmeldungen und die Löhne sanken / nur die Raten nicht.“ Aktuell schießen sich einige Kapitalistenvertreter auf die hohen Krankenstände ein.

Eine aktuelle Studie des „Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW)“ erklärt, durch die Möglichkeit, sich elektronisch krankzumelden, blieben die Arbeiter vor allem bei Atemwegserkrankungen früher zu Hause. Zusätzlich führen sie das in der Studie auf Corona zurück. Das Papier erklärt umfangreich, dass Deutschland eine der „großzügigsten“ Regelungen zur Lohnfortzahlung im Krankheitsfall habe. Die Lüge dahinter: Die Lohnfortzahlung wurde Mitte der 1950er Jahre durch einen 16 Wochen dauernden Streik der IG Metall erkämpft. Von Großzügigkeit keine Spur.

Aber die Lüge hat einen Zweck. In den Köpfen soll verankert werden, dass die Arbeiter seit Corona übervorsichtig seien und/oder faul. Die Möglichkeit der elektronischen Krankmeldung erleichtere die Ausnutzung der „großzügigen“ Lohnfortzahlung, heißt es.

Die Realität sieht freilich anders aus: Unterbesetzung, gestiegener Stress, Arbeitsverdichtung – das sind die Ursachen, die die Kolleginnen und Kollegen zu hohen Zahlen und in fast allen Bereichen krank machen. Statt diese Arbeitsbedingungen zu thematisieren, betreibt die Kapitalseite massive Hetze gegen die Arbeiter. Sie greift dabei auf andere, bereits weit verbreitete Ideologeme zurück: „Die Jugend will nicht mehr arbeiten“, „Gelber Schein regelt“ und so weiter.

Der Präsident der Bundesärztekammer ließ sich nun vernehmen, die großzügige Regelung könne ja durch Teilkrankschreibungen ergänzt werden. Dagegen steht derzeit die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes. Und auch der DGB hat sich gegen diese Idee positioniert.

Ohne auf diese Ablenkungsdebatten zu viel einzugehen: Gerade im Arbeiterbereich ist ganz hemdsärmelig festzustellen: Krank ist krank! Der Beginn, daran im Einzelfall herumzudiskutieren, ist bedrohlich.

Ärztliche Schweigepflichten, die gezielte Nicht-Information, die jeder Arbeiter seinem Kapitalisten gegenüber verpflichtet ist, stehen unter Beschuss. Die Disziplinierung der Arbeiter, die die Kapitalisten und ihre Institute fordern, ist die Begleitmusik zur derzeitigen Krise. Es ist nichts weiter als ein weiterer Angriff auf unsere hart erkämpften Rechte.

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"Krank ist krank!", UZ vom 8. November 2024



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