Die Krankenhäuser stoßen an die Grenzen ihrer Möglichkeiten bei der Behandlung von Covid-Patienten. Denn das Personal fehlt – eine Folge des Fallpauschalen-Systems. Während der Gesundheitsminister sich selbst lobt, fordern Gewerkschaften eine grundsätzliche Veränderung in der Finanzierung der Kliniken.
„Wir müssen damit rechnen, dass Kliniken an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen“, stellte der Leiter des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, in der vergangenen Woche fest. Für die kommenden Wochen sei damit zu rechnen, dass die Zahl der Covid-Patienten in den Kliniken noch deutlich zunimmt.
Jonas S., Krankenpfleger an der Uniklinik Essen, berichtet im Gespräch mit UZ: Die Corona-Intensivstation ist bereits voll belegt, es gibt jedoch noch Betten auf anderen Intensivstationen, in denen Covid-Patienten behandelt werden könnten. Auf anderen Stationen wurden Operationen verschoben, so dass dort die Pflegekräfte nicht zusätzlich belastet sind – ihre Kollegen auf den Covid-Stationen sind stärker belastet als üblich. Dort seien die Kolleginnen und Kollegen besorgt, ob auch sie durch erhöhte Fallzahlen an ihre Grenzen geraten könnten. Dazu kommt, berichtet S., dass nun mehr Pflegekräfte krank und zum Teil selbst mit dem Coronavirus infiziert seien, S. selbst musste einige Zeit in Quarantäne verbringen. Auch der RKI-Leiter Wieler benennt, das es das fehlende Personal sei, das die Kapazitäten begrenzt.
Jens Spahn hat den Krankenstand in Kliniken zum Anlass genommen, um sich mit dem Gedankenspiel zitieren zu lassen, dass auch infizierte Klinikmitarbeiter weiter arbeiten könnten, solange sie selbst nicht erkranken. Einige Betreiber von Krankenhäusern fordern, die von der Regierung festgelegten Untergrenzen für das Pflegepersonal erneut für alle Bereiche aufzuheben.
Ebenfalls in der vergangenen Woche lobte der Gesundheitsminister sich selbst: „Die Beschlüsse der Konzertierten Aktion sind ein Versprechen an alle Pflegekräfte: Wir werden weiter dafür kämpfen, dass die Situation in der Pflege besser wird.“ Tatsächlich sehen die Maßnahmen einige Verbesserungen bei Bezahlung und Ausbildung von Pflegekräften vor. Die Gewerkschaft ver.di hält die Maßnahmen nicht für ausreichend. Zu Spahns Bericht zur „Konzertierten Aktion“ sagte Sylvia Bühler, im ver.di-Bundesvorstand für das Gesundheitswesen zuständig, vor allem brauche es „mutige und wirksame Schritte, um mehr Personal zu gewinnen und zu halten“. Die Bundesregierung habe zwar einige Verbesserungen eingeleitet, allerdings nicht genug, damit die Beschäftigten tatsächlich eine Entlastung spüren. Bühler wies erneut darauf hin, dass der entscheidende Schritt dafür wäre, die Personalbemessung neu zu regeln und am Bedarf zu orientieren statt an den Kosten der Träger.
Bühler erinnerte daran, wo die Ursache des Personalmangels liegt: „Das DRG-System hat zu eklatanten Fehlsteuerungen und massivem Personalabbau geführt. In der Corona-Pandemie wird für alle sichtbar, welche Folgen das hat“, kommentierte Bühler einen Bericht der Hans-Böckler-Stiftung, der in der vergangenen Woche vorgestellt wurde. In diesem Bericht untersucht der Wissenschaftler Michael Simon, wie das extrem komplizierte DRG-System entstanden ist und wie es sich auswirkt. Die Studie bestätigt die Kritik, die Gewerkschaften seit langem an der Finanzierung der Krankenhäuser äußern: Für Klinikträger sei es „lukrativ, selektiv nur wenig kostenaufwändige Patientengruppen zu behandeln“. Das DRG-System habe „wesentlich zum Stellenabbau im Pflegedienst beigetragen“, weil es Unterbesetzung mit Gewinnen belohne.
Jonas S. schätzt ein, dass die Pandemie-Maßnahmen der Regierung „vor allem zu Lasten von Normalbürgern“ gehen – das Kleingewerbe leide, die Lebensgestaltung werde eingeschränkt. Während große Unternehmen weiter Geschäfte machen oder auf Staatshilfen rechnen könnten, bleibe es im Gesundheitswesen bei kleinen Korrekturen. ver.di fordert, das DRG-System während der Pandemie auszusetzen und dauerhaft zu ersetzen durch eine Finanzierung, die sich am medizinischen Bedarf orientiert.