Die Tageszeitung „Junge Welt“ sprach mit Sebastian Woldorf (DKP) über die morgige Demonstration in Wuppertal zu Ehren Friedrich Engels.
Junge Welt: In diesem Jahr jährt sich der Geburtstag des in Barmen geborenen Revolutionärs, Philosophen und Ökonomen Friedrich Engels zum 200. Mal. Warum sollte die Erinnerung an ihn wachgehalten werden?
Sebastian Woldorf: Friedrich Engels ist neben Karl Marx Mitbegründer des wissenschaftlichen Sozialismus. Außer der Mitautorenschaft am Kommunistischen Manifest ist er vor allem für mehrere allgemeinverständliche Schriften zum Klassenkampf und der proletarischen Revolution wie zum Beispiel den »Anti-Dühring« bekannt. Sein Werk bildete nicht nur die Grundlage für die damalige revolutionäre Sozialdemokratie und die sozialistischen Revolutionen im 20. Jahrhundert, sondern inspiriert auch heute noch Millionen von Menschen auf der ganzen Welt im Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung.
Junge Welt: Spielt Engels denn heutzutage noch eine Rolle in Wuppertal?
Sebastian Woldorf: Sein Name ist durch das Museum am ehemaligen Familiensitz, drei hervorragende Denkmäler und die Benennung einer Hauptverkehrsstraße weiterhin präsent im Stadtbild. Wuppertal ist eine stark industriell geprägte Stadt, die in den vergangenen Jahrzehnten durch Arbeitsplatzabbau und Deindustrialisierung stark gebeutelt wurde. In der momentanen Krise ist die offizielle Erwerbslosenzahl in der Stadt auf 10,7 Prozent angestiegen. Mehr als ein Drittel aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind aktuell in Kurzarbeit geschickt. Die Krise macht offensichtlich, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem nicht unserem Wohle dient, sondern nur der Profitmaximierung einiger weniger. Die gesellschaftspolitische Alternative, für die Engels steht, ist heute so aktuell wie zu seinen Zeiten.
Junge Welt: Wie setzt sich Ihr Bündnis zusammen?
Sebastian Woldorf: Es ist ein Zusammenschluss von unterschiedlichen linken Gruppen und Parteien wie dem Revolutionären Jugendbund, dem Linken Forum, »Trotz alledem«, »Kommunistischer Aufbau« und der DKP. Unser gemeinsamer Nenner ist, Wuppertals großen Sohn zu ehren, indem wir daran erinnern, dass eine Gesellschaft jenseits von Profitlogik und Ausbeutung möglich und erkämpfenswert ist. Wir werden am Sonnabend ab 13 Uhr mit rund 500 Teilnehmern einen Demonstrationszug von der Elberfelder Innenstadt bis zum Engelsgarten durchführen, wo wir den Tag bei Musik und Essen ausklingen lassen.
Junge Welt: Sowohl Wuppertal als auch das Land Nordrhein-Westfalen erinnern offiziell an ihn. Wofür braucht es Ihre Demonstration?
Sebastian Woldorf: Tatsächlich organisiert die Stadt Wuppertal unter der Schirmherrschaft des Ministerpräsidenten Armin Laschet, CDU, das gesamte Jahr über ein umfangreiches Programm. Doch selbstverständlich hat die bürgerliche Politik keinerlei Interesse daran, mit dem Gedenken an Engels die Perspektive einer Welt ohne Kapitalisten und mit gerechter Verteilung des Reichtums aufzuzeigen. Am offiziellen Slogan des Engels-Jahres »Denker. Macher. Wuppertaler.« merkt man, wohin die Reise geht: die Entpolitisierung von Engels.
Indem sein Wirken historisiert und in vermeintlich überwundene dunkle Zeiten der Industrialisierung eingebettet wird, wird ihm der revolutionäre Kern genommen. Mit unserer Demonstration wollen wir auf dieses Weichspülen hinweisen und sein revolutionäres Anliegen lautstark zur Geltung bringen. Wir rufen dazu auf, mit uns ein kraftvolles Zeichen gegen die bürgerliche Umdeutung des Revolutionärs Friedrich Engels zu setzen.
Junge Welt: Was verspricht sich Wuppertal vom Engels-Jahr?
Sebastian Woldorf: Die Aktivitäten der Stadt sind vor allem in Hinblick auf die Selbstvermarktung als touristisches Ziel ausgerichtet. In diesem Kontext ist auch die Zustimmung zur Schenkung einer großen Engels-Statue durch die Volksrepublik China zu sehen, die 2014 unweit des Geburtshauses aufgestellt wurde. Der Kommunalpolitik geht es also keineswegs darum, das revolutionäre Erbe Engels’ auf die heutige Zeit zu übertragen, sondern darum, zahlungskräftige – vor allem chinesische – Touristen in die Stadt zu locken.
Quelle: Junge Welt