Fast vierzig Jahre nach der Erstausgabe von Stefan Siegerts „Karl Marx geht um“ (1983) – die älteren Leserinnen und Leser der UZ werden sich vielleicht daran erinnern – erschien im Jahr 2022 im „Verlag 8. Mai“ eine kommentierte Neuauflage. Wer kurz, knapp, aber sehr unterhaltsam etwas über Marxens junge Jahre, seine Beziehung zu Jenny von Westphalen, seine Familie, über Sorgen, Krankheit, Trauer, über Freunde – vor allem über Friedrich Engels – und Kritiker, über Verfolgungen und Exil erfahren will, kommt ganz auf seine Kosten. Man erhält zugleich Anregungen, wieder mal öfter bei Marx „nachzuschlagen“. Auch wenn der Autor vielleicht meint, seine Karikaturen seien vielleicht nicht mehr ganz zeitgemäß: Sie überzeugen noch heute. Aber vielleicht ist das eine Generationenfrage?
Einleitend schreibt Stefan Siegert: „Was hat sich in den fast 40 Jahren seit dem Erscheinen des Buches nicht alles verändert? (…) Der sogenannte Neoliberalismus mit seinem Programm aggressiver Maximalausbeutung menschlicher Arbeitskraft, mit seinem Bestreben, öffentliches Eigentum wie etwa unsere Energie- und Verkehrsbetriebe, unsere Krankenhäuser und Bildungsstätten in privatwirtschaftliche Profitquellen zu verwandeln, scheint die Oberhand gewonnen zu haben. Aber anders als von vielen Leuten beim Zerfall des sozialistischen Weltsystems gedacht, ist der Sozialismus seitdem nicht verschwunden, er lebt in China, Kuba und in Vietnam weiter.“
In unserem „freien Land“ bekommen jene, die sich an Karl Marx orientieren, nicht erst heute Schwierigkeiten. Siegert erinnert daran, dass es die Tageszeitung „junge Welt“ sogar schriftlich hat, „gesichert extremistisch“ zu sein. In der Begründung wird dem Marxismus vorgeworfen, seine Einteilung der Menschen in Klassen widerspräche der „Garantie der Menschenwürde“. Über die Dummheit der Verantwortlichen, nicht einmal zu wissen, dass der Klassenbegriff viel älter ist als der Marxismus, könnte man lachen, wenn deren Vorgehen nicht Folgen für alle hätte, für die der Marxismus Weltanschauung, theoretische Grundlage und Orientierung zum Handeln ist. Der Klassenbegriff wurde bekanntlich schon längere Zeit vor Marx benutzt (Adam Ferguson sowie John Millar, David Ricardo und andere). Und den Klassenkampf entdeckten die bürgerlichen Historiker Augustin Thierry und François Guizot zu Beginn des 19. Jahrhunderts.
Nach dem „Prolog“ erfährt man mehr über den jungen Marx im Abschnitt „Der Sohn“, über den „Dichter“, „Arbeiter“, „Spieler“ und „Raucher“ sowie seine große Liebe Jenny von Westphalen und seine Freunde. Angedeutet wird seine Entwicklung vom Junghegelianer zum materialistischen Dialektiker und Revolutionär. Es waren die gesellschaftlichen Verhältnisse selbst und die Klassenkämpfe seiner Zeit – und nicht nur das kritische Studium von Hegel und Feuerbach –, die ihn zu diesen Erkenntnissen und Entscheidungen trieben. In diesem Zusammenhang wird auch skizziert, wie es zur Zusammenarbeit und lebenslangen Freundschaft zwischen Karl Marx und Friedrich Engels kam. Dem Abschnitt „1848“ (Bund der Kommunisten, Manifest, Revolution) folgt die Beschreibung des Lebens im Exil. In „London“ arbeitete Marx auch an „Das Kapital“. 1871 erlebte er mit der „Pariser Kommune“ den „ruhmvolle(n) Vorboten einer neuen Gesellschaft“ („Bürgerkrieg in Frankreich“). Im „Epilog“ dokumentiert Siegert einen Auszug aus Eleanor Marx-Avelings „Karl Marx, Lose Blätter“ (1895).
Es lohnt sich sehr, in „Marx geht um“ hereinzuschauen – auch zum Kraft tanken.
Stefan Siegert, Andreas Hüllinghorst: Karl Marx geht um.
Verlag 8. Mai, 2022. 168 Seiten,
19,90 Euro
Erhältlich im UZ-Shop, uzshop.de