Wirtschaftskrieg zwischen Deutschland und den USA entwickelt sich in Hamburg

Krach beim G20-Gipfel

Von Lucas Zeise

Der Titel des Theaterstücks heißt bescheiden „Group of 20“. Aber dem Anspruch nach könnte er auch „Weltregierung in Finanz- und Wirtschaftsfragen“ lauten. Denn formal ist die Kompetenz dazu beim G20-Gipfel in einer Woche vorhanden. Die in Hamburg versammelten Damen und Herren stehen Regierungen von Ländern vor, deren summierte Wirtschaftskraft sich auf vier Fünftel des weltweiten Sozialprodukts beläuft. Aber es wird nichts entschieden. Stattdessen gibt es fürs Protokoll eine gemeinsam verabredete Schlusserklärung der Regierungs- und Staatschefs. Nur in seltenen Ausnahmefällen, wie 2009, unmittelbar nach Ausbruch der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, haben die Weltwirtschaftsgipfel mehr als nur heiße Luft produziert. Vielmehr wird jährlich eine Show veranstaltet, um dem Publikum weiszumachen, der wüste Kapitalismus werde von den Regierungen gelenkt und gebändigt.

Beim aktuellen Treffen unter der Präsidentschaft der deutschen Kanzlerin Angela Merkel wird es mehr Krach geben als gewöhnlich. Und zwar nicht entlang einer vom Interessengegensatz zwischen altkapitalistischen Ländern (USA und Verbündete) und neukapitalistischen Schwellenländern gebildeten Bruchlinie. Krach gibt es zwischen den USA und der Mehrzahl der Europäer. Das zeigte sich bereits auf dem G7-Treffen im Mai in Italien. US-Präsident Donald Trump weigerte sich, dem bisherigen Konsens der G7 und G20 zu folgen, das Pariser Abkommen zum Klimawandel zu unterstützen und das traditionelle Bekenntnis zum Freihandel abzugeben. Das ist der Form nach ein radikaler Schwenk. Frühere Schlusserklärungen der G7 wurden vom US-Finanzministerium mit vorformuliert und wandten sich meist tadelnd an andere Länder (insbesondere China) mit dem Vorwurf, sie würden die eigene Währung zum eigenen Vorteil manipulieren. Trump und seine Regierung verfochten dagegen offen die Position, die Freiheit des Welthandels sei nur dann akzeptabel, wenn es gemäß dem Motto „America first“ den USA nütze. Nach dem Gipfel klagte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel öffentlich, sie sehe in den USA keinen verlässlichen Partner mehr.

Traditionell vertritt die deutsche Regierung die Interessen ihrer Monopolkapitalisten an der Aufrechterhaltung freien Handels und freien Kapitalverkehrs noch rigoroser als die USA und verteidigt zugleich den riesigen Überschuss in der deutschen Handels- und Leistungsbilanz. Die Kritik daran und die Forderung an Deutschland, durch staatliche Maßnahmen die Nachfrage im eigenen Land zu stärken, damit die Einfuhr zu erhöhen und die Defizite anderer Länder zu mindern, wird auf diesem Gipfel noch leichter abzuwehren sein. Zumal der neue französische Präsident Emmanuel Macron fester als alle Vorgänger auf Seiten Deutschlands steht.

Das Bekenntnis zum Freihandel und ungebremsten Kapitalverkehr im Interesse der stärksten Monopole hat die G7- und G20-Treffen nie daran gehindert, selektiv Einschränkungen vorzunehmen und zu billigen. Das betrifft selbstverständlich kleine Außenseiterstaaten wie Kuba, aber seit bereits 40 Jahren zum Beispiel auch Iran. Seit dem reaktionären Umsturz in der Ukraine 2015 wird auch Russland, immerhin einer der großen G20-Staaten, seitens der NATO mit Sanktionen belegt. Es geht dabei nicht nur um Wirtschaftskrieg gegen Russland sondern auch um einen Handelskrieg zwischen Deutschland und den USA. Er findet auf dem Feld der Energiepolitik statt. Vor vier Wochen hat der US-Senat ein Gesetz gebilligt, das der Regierung in Washington jederzeit die Möglichkeit gibt, gegen Unternehmen vorzugehen, die Energiegeschäfte mit Russland betreiben. Das ist eine Kriegserklärung gegen europäische, besonders aber deutsche Konzerne, für die der Zugang zu billigem russischem Erdgas geschäftsentscheidend ist. Der US-Senat hat hier übrigens parteiübergreifend gehandelt und auch ganz im üblichen Sinne der westlichen Wertegemeinschaft. Auf dem Treffen in Hamburg selbst wird über diese Streitpunkte nicht offen diskutiert, zumal die Staaten wie China und Russland, auf deren Kosten die Gefechte zwischen EU/Deutschland und USA ausgefochten werden, anwesend sind. Die Bekenntnisse Chinas und Russlands zu den Prinzipien des freien Welthandels werden öffentlich ganz ohne ironischen Unterton vorgetragen, der sich aber aus dem Kontext ergibt.

Zwei Details: Die EU wird am Rande des Gipfels ein Freihandelsabkommen mit Japan festzurren, das ganz nach dem Modell des vorläufig gescheiterten Abkommens mit den USA (TTIP) gemacht ist. Der Handelsminister Wilbur Ross hat kurzfristig eine Reise nach Berlin abgesagt. Er sollte mit Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) und in Anwesenheit der Kanzlerin vor dem CDU-Wirtschaftsrat sprechen, einem nicht unwichtigen Gremium des deutschen Kapitalismus.

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"Krach beim G20-Gipfel", UZ vom 30. Juni 2017



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