Wie öffentlicher Immobilienbesitz privat angeeignet wird

Korruptionsherd Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW

Von Klaus Stein

Am 15. Februar 2017 konnte der Landtag in NRW den Schlussbericht zum Korruptionssumpf beim Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW entgegennehmen. Die Untersuchungen zogen sich über Jahre hin. Just zwei Tage zuvor war der vormalige Chef des BLB, Ferdinand Tiggemann, wegen Bestechlichkeit und Untreue zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden. Der BLB-Chef habe über Jahre mit einem kriminellen Immobilienmakler zusammengearbeitet. Die beiden hätten unter anderem durch illegale Absprachen und Zwischenkäufe von Grundstücken die Kaufpreise in die Höhe getrieben.

Die Liegenschaften des Landes NRW sind im Jahr 2000 in einen selbstständigen Betrieb überführt worden. Dieser Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) NRW verfügt – Stand 2013 – über 4 604 Gebäude, Mietflächen von insgesamt 10,5 Millionen Quadratmetern und einen Mietumsatz von 1,2 Milliarden Euro. Gesamtwert neun Milliarden Euro. Es ist das zweitgrößte europäische Immobilienunternehmen.

Gemäß gesetzlichem Auftrag sind diese öffentlichen Liegenschaften nach kaufmännischen Grundsätzen zu entwickeln und zu verwerten. Bei derartiger Verwertung gerät der andere gesetzliche Auftrag, nämlich die Beachtung baupolitischer Ziele des Landes, schon mal aus dem Blickfeld. Der könnte beispielsweise die Aufgabe einschließen, dem Geschosswohnungsbau günstige Grundstücke zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich aber stiegen die Preise, und Grundstücksspekulanten verdienten viel Geld. In kurzer Frist entstanden dem Land Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. Es häuften sich die Fälle. Aus diesem Grund wurde ein Untersuchungsausschuss eingesetzt. Der beschreibt den Sachverhalt, den er zu untersuchen hat, wie folgt: „Der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen (nachfolgend BLB NRW) steht wegen Korruptionsvorwürfen gegen führende Mitarbeiter seit geraumer Zeit im Zentrum staatsanwaltlicher Ermittlungen. Auch gegen private Bauprojektentwickler wird in diesem Zusammenhang ermittelt. Weiter ist dem BLB NRW in Berichten des Landesrechnungshofs Nordrhein-Westfalen (LRH NRW) attestiert worden, dass er bei den überprüften Bauvorhaben seiner Rolle als landeseigener Immobilienentwickler und Baufinanzierer, der letztlich durch unternehmerisches Handeln Erträge erwirtschaften und dadurch den Landeshaushalt entlasten soll, in gravierender Weise nicht gerecht geworden ist.“

Harte Fakten

Dem Bericht des Landtags-Untersuchungsausschusses zum BLB ist zu entnehmen:

• Die Kosten des Duisburger Neubaus Landesarchiv NRW sind um das Vierfache auf 200 Mio Euro gestiegen.

• Beim Erweiterungsbau des Polizeipräsidiums Köln-Kalk hat vor allem die Kölner GSE Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH unter Führung des Herrn Göttsch nach bemerkenswerten Vergabevorgängen sehr viel Geld verdient, mindestens aber 3,3 Mio an angeblich entgangenen Gewinnen. Der WDR hatte im vergangenen Juli von einer finanziellen Mehrbelastung von 55 Millionen Euro für das Land berichtet.

• Mit der Grundstücksspekulation beim geplanten Bauvorhaben „Fachhochschule Köln“ machten die Grundstücksentwickler Göttsch und Bauwens-Adenauer innerhalb von acht Wochen 25 Millionen Euro Gewinn, als sie dem BLB die sogenannten Domgärten für 87 Mio Euro verkaufen konnten.

• Schloss Kellenberg: für die praktisch nicht nutzbare Ruine wandte der BLB 3,1 Mio Euro auf.

• Das Vodafone-Hochhaus in Düsseldorf wurde für 142 Millionen Euro gekauft, ohne dass eine Nutzung vorgesehen war.

• Das Landesbehördenhaus in Bonn ist ein offenbar unverkäufliches Objekt. Sein Wert fiel im Laufe der Jahre von 70 Mio Euro auf 10,7 Mio Euro – das war das letzte Kaufangebot, das aber nicht realisiert werden konnte. Seine 60 000 qm wurden bis 2003 von der Polizei genutzt, gegenwärtig ist ein Teil des sanierten Neubaus an die Uni Bonn vermietet, der belastete Altbau steht leer.

• Für den Neubau des LKA in Düsseldorf mussten 34 Mio, dann noch einmal 14,2 Mio Euro nachgeschossen werden, am Ende kostete es 107 Millionen Euro.

Verschleierung ist programmiert

Der Geschäftsführer Tiggemann konnte für den BLB risiko- und folgenreiche Entscheidungen treffen, ohne diese vorab begründen zu müssen. Das geschah nachträglich. Aber die Korruptionshebel sind schon in den Verordnungen zum BLB-Gesetz angelegt. Der Artikel 4.3 (AnwVOBLB) bestimmt: „Über Grundstücksankäufe, deren Wert 50 000 Euro übersteigt, sowie über Grundstücksverkäufe, deren Wert 50 000 Euro übersteigt, ist der Verwaltungsrat in der nächstfolgenden Sitzung des Verwaltungsrates zu unterrichten.“ In der nachfolgenden Sitzung! Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Aber jetzt, das legt der Bericht des Untersuchungsausschusses nahe, sei alles in Ordnung. Denn es würden mittlerweile weitreichende Vorgaben zu den inhaltlichen Anforderungen an Verwaltungsratsvorlagen gemacht. Ausdrücklich seien alle Entscheidungen und Prozesse nachvollziehbar zu dokumentieren. Aber: „An einer Stellungnahme zu weiteren Änderungen zur Struktur des und zur Aufsicht über den BLB sieht sich der Ausschuss gehindert, da diese erst nach Ablauf des Untersuchungszeitraums erfolgt sind.“ (Schlussbericht, S. 622)

Im Klartext: zu Struktur und Aufsicht des BLB äußert sich der Untersuchungsausschuss nicht. Hier liegt aber der Hund begraben. Denn wir haben es mit einem bundesweit durchgesetzten neoliberalen Konzept zu tun. Auch andere Bundesländer verfügen mittlerweile über derartige Bau- und Liegenschaftsbetriebe, die ihnen die Liegenschaften „entwickeln“. Der Bund hat seine Liegenschaften ebenfalls ausgegliedert. Das Gesetz über die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bim­AG) bestimmt die Ziele: nach kaufmännischen Grundsätzen verwalten, Vermögen wirtschaftlich veräußern.

Wir haben es also mit einer ganzen Reihe von Korruptionsherden zu tun. Was ist da zu fordern? Die Finanzverwaltungen des Bundes und der Länder müssen ihre Liegenschaften wieder in eigene Regie nehmen und wirksam öffentlich kontrolliert werden. Die Ausgliederung der Liegenschaften mit eigener Rechtsform ist korruptionsanfällig und erleichtert die Spekulation. Sie führt allemal zur privaten Aneignung öffentlichen Eigentums. Vor allem verteuert es die Grundstückspreise und erschwert den Bau bezahlbaren Wohnraums.

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"Korruptionsherd Bau- und Liegenschaftsbetrieb NRW", UZ vom 17. März 2017



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