Sana bietet dem Pflegepersonal lediglich eine Mogelpackung an

Konzernleitung simuliert leere Taschen

Heiko Schmidt

Am 11. Juli sollte die zweite Verhandlungsrunde beim Klinikkonzern Sana stattfinden. Doch Corona verschonte auch das Management nicht. So folgte am 22. Juli eine Online-Verhandlung, in der in kaum zwei Stunden die Kapitalseite ihre Vorstellungen erläuterte: 2022 soll es nur eine Einmalzahlung von 3.000 Euro geben und die soll auch noch mit dem Corona-Pflegebonus verrechnet werden. Sana lässt sich seine Einmalzahlung aus Steuermitteln sponsern – eine echte Mogelpackung mit zweijähriger Laufzeit.

Ab Januar soll es 5 Prozent mehr für die Pflege geben, die seit zwei Jahren in einer separaten Gehaltstabelle eingruppiert ist. Die anderen Berufsgruppen gehen erst einmal leer aus. Ab Januar 2024 soll es danach noch 3 Prozent mehr für alle geben. Die Zulagen sollen leicht erhöht werden, so die Wechselschichtzulage von 40 auf 60 Euro. lm öffentlichen Dienst gäbe es dafür inzwischen etwa 150 Euro. Die geforderten Sockelbeträge für Geringverdienende wurden bewusst klein gehalten, die Auszubildenden mit einem Sockelbetrag von 50 Euro bedacht.

Unter den Beschäftigten machte sich als Reaktion auf das Angebot Wut und Enttäuschung breit. Andere Kolleginnen und Kollegen erinnerten daran, dass es nun darauf ankommt, sich mehr zu erkämpfen. Die zuvor von der ver.di-Tarifkommission für den Sana-Konzern vorgelegten Forderungen unterscheiden sich deutlich von den Vorstellungen der Konzernleitung. Zur Sicherung der Reallöhne werden 8 Prozent mehr für alle gefordert, bei einem Jahr Laufzeit. Ein Sockelbetrag von 150 Euro und Höherstufung von Langzeitbeschäftigten, die Wechselschichtzulage soll auf 155 Euro steigen, die Auszubildende sollen 100 Euro mehr erhalten.

Die Belegschaften an einzelnen Klinikstandorten hätten gern noch mehr gefordert. Aber das war ein Kompromiss unter den 20 Kliniken, für die der Konzerntarifvertrag gilt. lm Vorfeld der zweiten Verhandlungsrunde fanden in mehreren Sana-Kliniken aktive Mittagspausen statt. Bei guter Beteiligung wiesen die Beschäftigten mit Nachdruck auf ihre Forderungen hin. Es wird neben weiteren aktiven Mittagspausen mindestens ein Warnstreik notwendig sein. Aktive ver.di-Mitglieder stellen sich auch auf einen eventuellen Erzwingungsstreik ein. Dazu laufen Vorbereitungen, ganz besonders die Gespräche mit möglichst vielen Beschäftigten. Kampferfahrung in Arbeitskämpfen haben die wenigsten. Doch der Unmut ist groß. Viele wollen nicht mehr wie in früheren Jahren darauf warten, dass in der Münchner Konzernzentrale wieder ein paar Krümel vom Tisch fallen. Der Konzern schreibt nach wie vor schwarze Zahlen, trotz Corona und Lieferkettenproblemen.

Vor wenigen Wochen konnte der Marburger Bund für die Klinikärzte einen Tarifabschluss erreichen. Ohne Arbeitskampf, nur am Verhandlungstisch, konnte für die Ärzte eine steuerfreie Einmalzahlung von 4.500 Euro in diesem Jahr erreicht werden. Anfang 2023 folgen 5 Prozent Gehaltserhöhung plus 3 Prozent ab Juli 2023. Der Abschluss erscheint, oberflächlich betrachtete, ähnlich dem Angebot für die Pflege. Doch angesichts der Leichtigkeit des Abschlusses regte sich erheblicher Unmut in den anderen Berufsgruppen.

„Teile und herrsche“ ist ein bei Sana gelebtes Management-Prinzip. Die Konzernstrategie verspricht wenig Gutes. ln der Online-Zeitung „Klinik-Management aktuell“ verkündete die Konzernführung massive Umstrukturierungen auf Grund neuer Herausforderungen, vor allem lnvestitionen in die Digitalisierung verschiedenster Arbeitsprozesse. Sana verpulvert erhebliche Mittel für bunte Werbeaktionen zur Personalakquise. Erfolge bleiben regelmäßig aus, aber das scheint nicht so wichtig zu sein. Das vorhandene Personal? Zu teuer.

Die aktuelle Pandemielage gibt keinen Anlass zur Entwarnung in der Krankenversorgung. Pflegepersonal ist derzeit massenhaft von Covid betroffen. ln manchen Abteilungen ist das halbe Team zeitweise ausgefallen. Patienten mit Corona gibt es weiterhin, daran änderte auch die Auflösung von Pandemiestationen natürlich nichts.

Viele Beschäftigte in den Kliniken, nicht nur in der Pflege, sind nach jahrelanger chronischer Unterbesetzung, über zwei Jahren Corona und nun auch noch durch die Preissteigerungen mit ihrer Kraft und Geduld am Ende. Viele sagen, so geht es nicht mehr weiter. Wenn die Tarifauseinandersetzung erfolgreich enden sollte, wird der nächste Schritt der Kampf um Entlastung sein müssen. Die erreichten Abschlüsse von Charité und Vivantes in 2021 und aktuell das Ergebnis an den Unikliniken in Nordrhein-Westfalen sind dabei Meilensteine. ln den Sana-Kliniken muss aber die Diskussion dazu noch geführt werden. Denn es wird nicht reichen, nur auf die Einführung der geplanten gesetzlichen Entlastung durch die Pflegepersonalregelung (PPR 2.0) zu warten.

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"Konzernleitung simuliert leere Taschen", UZ vom 29. Juli 2022



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