Am 25. April fand die Aktionärsversammlung des Bayer-Konzerns statt, allerdings nur virtuell. Dieses digitale Format wurde in den Rede-Beiträgen vielfach moniert. Die Coordination gegen Bayer-Gefahren (CBG) sieht darin ein Instrument, sich der direkten Konfrontation mit Konzernkritik zu entziehen.
Es gab aber auch Protest in Präsenz: Ab 9 Uhr standen mehr als ein Dutzend Aktivistinnen und Aktivisten vor der Bayer-Zentrale auf der Kaiser-Wilhelm-Allee in Leverkusen, von Anzugträgern auffällig unauffällig abfotografiert. Unterstützt durch musikalische Beiträge von Sibylle und Maria Arians sprachen Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Bündnisse und Organisationen aus der konzernkritischen und Umweltbewegung. Annemarie Volling von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (ABL) referierte beispielsweise über Bayers Saatgutstrategie und die Patentierungen, die kleine Bauern und Bäuerinnen in die Abhängigkeit von Agrarriesen treiben. „Vor allem die großen Konzerne wie Bayer oder Corteva (US-Chemiekonzern, Anm. d. Red.) sind die Treiber und melden immer mehr Patente auf Pflanzen und Tiere an“, hielt Volling zur Zentralisierungstendenz auf dem Saatgutmarkt fest.
Auch Brigitte Hincha-Weisel, Vorstandsmitglied der CBG, benannte in ihrer Rede die Verbrechen des Global Players und zeigte am Beispiel der Frage der Lieferketten, dass der Leverkusener Multi für die Steigerung seiner Profite die systematische Verletzung von Menschenrechten, Sozial-, Gesundheits-, und Arbeitsschutzstandards in Kauf zu nehmen bereit ist. Bayer selbst äußerte sich in der digitalen Hauptversammlung auf entsprechende Nachfragen zu Lieferkettenverstößen und insbesondere Kinderarbeit lediglich mit einem Verweis auf den Lieferkettenbericht, den das Unternehmen selbst verfasst hat und der auch nur von ihm vollumfänglich überprüft werden kann. Jan Pehrke, Vorstandsmitglied der CBG, kritisierte diesen Umgang im Rahmen der Online-Hauptversammlung in seinem Redebeitrag mit Verweis auf eine Saatgutanlage in Sambia, deren Zulieferer 15.000 Saisonarbeiterinnen und -arbeiter zur Saatgut-Vermehrung beschäftigen. „Wie will Bayer bei diesen 15.000 beschäftigten Saisonarbeitern sicherstellen, dass da keine Kinder dabei sind?“
Hans van Scharen vom Corporate Europe Observatory kritisierte derweil Bayers extremen Lobbyismus in den USA für Gesetze, die Glyphosat Straffreiheit gewähren. Er stellte dazu einen offenen Brief von über 100 Organisationen aus der ganzen Welt vor, der die Bayer-Aktionäre auffordert, dem Agro-Riesen diese Hintertürgespräche nicht länger durchgehen zu lassen. Acht weitere Konzernkritiker ergriffen das Wort. Der Kenianer Harun Warui etwa setzte von Nairobi aus die doppelten Pestizid-Standards auf die Tagesordnung. Andere Beiträge beschäftigten sich mit PFAS-Pestiziden, der Ackergift-Nebenwirkung „Parkinson“, Medikamenten-Versuchen und dem Gefahrenpotenzial der neuen Gentechniken.
Bayer-Chef Bill Anderson bekannte sich derweil zum US-Geschäft, verteidigte die Wahlkampfspenden für die Republikaner und stellte die Hauptlinien der Konzernstrategie für das kommende Jahr vor: „Wir arbeiten mit Hochdruck daran, diese Hindernisse aus dem Weg zu räumen und Bayer wieder auf einen profitablen Wachstumskurs zu bringen. Dabei machen wir sehr gute Fortschritte, es ist aber auch noch sehr viel zu tun.“ Unter Hindernissen versteht Anderson beispielsweise die laufenden Rechtsverfahren gegen Bayer, vor allem wegen des Pflanzengifts Glyphosat und der PCB-Altlasten. Darüber hinaus steht der Kurs auf „mehr Verantwortung für unsere Beschäftigten, bessere Ergebnisse fürs Geschäft“. Das hört sich angesichts der laufenden Arbeitsplatzvernichtungen beim Konzern, die sich bisher auf 10.000 belaufen, wie blanker Hohn an.
Jan Pehrke resümierte: „Die Themenkomplexe, die ich und die anderen Konzernkritiker bisher angesprochen haben, zeigen, dass Bayer ohne Rücksicht auf Verluste für Mensch, Tier und Umwelt den Profiten nachjagt. Um dem in Zukunft Einhalt zu gebieten, muss der Konzern unter gesellschaftliche Kontrolle gestellt werden.“