US-Präsident Trump sorgte im Dezember für einen Knalleffekt, als er verkündete, die US-Truppen würden „innerhalb von wenigen Wochen“ aus Syrien abgezogen. Geschehen ist noch nichts – doch der Bühnenzauber wirkt nach.
Der US-Senat sprach sich in einer parteiübergreifenden großen Mehrheit aus Republikanern und Demokraten gegen den Rückzug der US-Truppen aus. Der Führer der republikanischen Mehrheit im Senat, Mitch McConnell, warnte, der IS und Al-Kaida seien noch nicht besiegt und ein Abzug der USA schade den nationalen Sicherheitsinteressen.
Auch Ilham Ahmed, die die politischen Interessen der „Demokratischen Kräfte Syriens“ (SDF) vertritt, sprach in einem Interview in Washington davon, dass der Islamische Staat noch nicht besiegt sei und ein amerikanischer Rückzug Auswirkungen auf den Krieg hätte. Sie war in Washington, um Abgeordnete und Regierungsbeamte zu drängen, die Entscheidung zurückzunehmen oder zumindest zu verschieben. Zugleich bestätigte sie Gespräche zwischen kurdischen Vertretern und der Regierung in Damaskus. „Wenn türkische Milizen unser Gebiet angreifen, haben wir keine Wahl, als uns mit dem syrischen Regime zu arrangieren.“ Trump, der eher zufällig mit ihr zusammentraf, versicherte ihr, man werde die Kurden nicht töten.
Das Pentagon hat eine gewichtige Stimme, wenn es um den Abzug der US-Truppen geht. Unmittelbar nach der Ankündigung Trumps hieß es, die Truppen würden innerhalb von 30 Tagen abgezogen, im Januar meldete ein Sprecher des Pentagon, der Abzug habe bereits begonnen. Doch später hieß es, die Truppen würden im Verlauf von mehreren Monaten abgezogen werden. Eine konkrete Zeitplanung hat es nie gegeben.
In seiner Rede zur Lage der Nation vor dem Kongress verteidigte Trump seine Entscheidung. Doch der Widerstand im Pentagon scheint noch stärker geworden zu sein. Ein hoher Beamter aus dem Pentagon erklärte in einer Senatsanhörung, er verstehe die Strategie hinter der Entscheidung nicht. Und Verteidigungsminister Mattis habe mit seinem Rücktritt wegen des Abzugs richtig gehandelt. Ähnlich äußerte sich Joseph Votel, Chef des US-Central Command, der von Trump nicht um seine Meinung zu einem Rückzug gefragt worden war. Diese Bemerkungen waren die letzten in einer ganzen Reihe von Warnungen vor einem „übereilten“ Rückzug.
Auch der türkische Präsident Erdogan versteht Trumps Strategie nicht. Die Türkei will nach wie vor eine Besatzungszone im Norden Syriens schaffen, doch ohne Unterstützung der USA ist das nicht möglich. Und die Russische Föderation hat andere Interessen.
So bleibt vorerst alles beim Alten. Fast. Denn um einen möglichen Abzug vorzubereiten, werden die US-Truppen zunächst einmal aufgestockt. Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete, ein Konvoi aus 150 Fahrzeugen habe Humvees, Generatoren und anderes Material an US-Logistikzentren im Norden Syriens geliefert.
Entgegen den Ankündigungen von Trump werden die US-Truppen wohl vorerst weiter den Norden Syriens kontrollieren. Den Reichtum an Landwirtschaftsflächen und Bodenschätzen inbegriffen.