In Kuba, wo seit dem Sieg der Revolution im Januar 1959 Jahr für Jahr die machtvollsten Mai-Veranstaltungen des amerikanischen Kontinents stattfanden, wird es am Sonnabend wegen der Covid-19-Pandemie zum zweiten Mal keine Großdemonstrationen auf den Straßen und Plätzen des Landes geben. Wie im vergangenen Jahr plant der Gewerkschaftsdachverband „Central de Trabajadores de Cuba“ (CTC) alternativ dazu virtuelle Veranstaltungen, auf denen die Werktätigen an ihrem Kampftag trotzdem für die internationale Solidarität demonstrieren können. Angesichts der Herausforderungen durch die seit 60 Jahren bestehende US-Blockade, die die negativen Auswirkungen der Pandemie für die Bevölkerung der Insel besonders verschärft hat, spielen die Beschlüsse des 8. Parteitags der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) dabei in diesem Jahr eine herausragende Rolle.
Der vom 16. bis 19 April – parallel zum 60. Jahrestag des Sieges über die CIA-Invasion in der Schweinebucht – in Havanna tagende Kongress, auf dem der in den Leitungsfunktionen von Staat und Regierung bereits erfolgte Generationenwechsel nun auch an der Spitze der Partei vollzogen worden ist, stand sowohl im Zeichen einer Kontinuität der sozialistischen Ziele als auch geplanter Veränderungen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik. „Umwandlungen im wirtschaftlichen Bereich, die Verabschiedung von Maßnahmen, die das staatlich-sozialistische Unternehmen mit größerer Autonomie ausstatten, die Orientierung auf eine neue Politik zur Perfektionierung des nicht-staatlichen Sektors, die Umsetzung der Aufgabe einer Neuordnung mit der einhergehenden Lohnreform und Maßnahmen für mehr Effizienz im Agrarbereich, um nur einige Beschlüsse zu nennen, bieten neue Entwicklungschancen für die Produktivkräfte“, fasste die Parteizeitung „Granma“ am vergangenen Freitag einige der Ergebnisse zusammen.
Das am 18. April von den 300 Delegierten gewählte, von bisher 142 auf 116 Mitglieder verkleinerte neue Zentralkomitee war am darauffolgenden Tag zu seiner ersten Sitzung zusammengekommen. Wie der bis dahin amtierende Erste Sekretär des ZK, Raúl Castro, im Anschluss mitteilte, hatten die Mitglieder des Gremiums Präsident Miguel Díaz-Canel zu seinem Nachfolger und aus ihren Reihen auch das nur noch aus 14 statt bisher 17 Personen bestehende und deutlich verjüngte Politbüro sowie das sechsköpfige Sekretariat des ZK gewählt. Der gelernte Elektronikingenieur Díaz-Canel, der am 20. April seinen 61. Geburtstag beging, forderte die rund 700.000 Parteimitglieder in seiner ersten Rede in der neuen Position auf, ihre „Aktivitäten zur Verteidigung der Revolution“ zu verstärken. „Der ideologische Kampf ist jetzt entscheidend und vor allem die Konfrontation mit der politisch-ideologischen Subversion, bei der niemand allein gelassen werden darf und die Kommunisten in der ersten Reihe marschieren müssen“, konkretisierte er die Aussage am Donnerstag vergangener Woche auf einer Plenarsitzung des PCC-Komitees in Cienfuegos.
Verbunden mit dem Hinweis, dass die „Hauptursache für unsere wirtschaftlichen Schwierigkeiten direkt mit der Verschärfung der US-Blockade zusammenhängt“, unterstrich er, dass es gerade deswegen „zwingend notwendig“ sei, „schnelle Ergebnisse im wirtschaftlichen Kampf zu sichern, Mängel zu überwinden, aus eigener Kraft zu wachsen und sich zu entwickeln“. Wer behaupte, „dass die Blockade nicht für unsere Hauptprobleme verantwortlich ist“, leugne die „Macht des Imperiums, seine fast absolute Beherrschung der globalen Märkte und Finanzen und den bestimmenden Einfluss auf die Politik anderer Regierungen, von denen sich einige im Glauben, Partner zu sein, als Handlanger betätigen“, hatte Díaz-Canel bereits auf dem Parteitag erklärt. Trotzdem hatte er eingeräumt, dass in den vergangenen fünf Jahren „keine guten Ergebnisse“ erzielt wurden, was „auch durch Ineffizienz und Ineffektivität eines bedeutenden Teils der kubanischen Wirtschaft“ beeinflusst worden sei. Insgesamt habe diese jedoch ihre Widerstandsfähigkeit bewiesen und es ermöglicht, soziale Errungenschaften zu bewahren, ohne auf die gesetzten Entwicklungsziele oder auf die solidarische Hilfe für andere Völker zu verzichten, sagte er. „Ein kleines Land ohne Ressourcen, belagert und grausam blockiert, hat Indikatoren erreicht, die eine bessere Leistung zeigen als viele Länder der Welt und der Region.“ Dies sei durch eine Ökonomie ermöglicht worden, „die wir zwar kritisieren, um sie zu perfektionieren und effizienter zu machen, die aber für relevante soziale Errungenschaften sorgt“. „Der Erfolg unserer Ziele“, erklärte Díaz-Canel über die wirtschafts- und sozialpolitischen Konzeptionen für die Zeit bis 2026, „hängt von unserer Fähigkeit ab, mit der Bevölkerung in Dialog zu treten, die Bürger zu begeistern und einzubeziehen und Werte wieder aufzubauen, die dem sozialen Engagement mehr Bedeutung verleihen“.
Zu Beginn des Parteitags hatte sich bereits der scheidende Erste Sekretär des ZK, Raúl Castro, für „Veränderungen zur Steigerung der wirtschaftlichen Effizienz und den Abbau struktureller Defizite des Wirtschaftsmodells, die keine Anreize für Arbeit und Innovation bieten“ ausgesprochen. Allerdings gebe es „Grenzen, die wir nicht überschreiten dürfen, weil das zur Zerstörung des Sozialismus führen würde“, erklärte er. „Es scheint, dass Egoismus, Gier und der Wunsch nach höheren Einkommen einige Menschen dazu ermutigen, den Beginn eines Privatisierungsprozesses zu wünschen, der die Grundlagen und das Wesen der sozialistischen Gesellschaft, die in mehr als sechs Jahrzehnten aufgebaut wurde, hinwegfegen würde. Auf diesem Weg würden auch das nationale Bildungs- und das öffentliche Gesundheitssystem, die beide kostenlos und allgemein zugänglich für alle Kubaner sind, in kurzer Zeit demontiert werden“, warnte Castro und mahnte: „Man darf nie vergessen, dass die Kontrolle über die grundlegenden Produktionsmittel die Basis unseres Sozialismus ist.“