In Frankfurt am Main lebt fast jeder Vierte in einer stadteigenen Wohnung

Konsequent auf stadteigene Wohnbaugesellschaften setzen

In den bundesdeutschen Großstädten explodieren die Mieten. Über Gegenkonzepte sprachen wir mit Peter Feldmann. Peter Feldmann war von 2012 bis 2022 Oberbürgermeister von Frankfurt am Main.

UZ: Laut „Statista“ steht Frankfurt am Main mit einem durchschnittlichen Mietpreis von fast 17 Euro pro Quadratmeter im Jahr 2022 ganz oben auf der Liste deutscher Städte, nur in München und Berlin zahlen Mieter mehr. Wo sehen Sie die Ursachen?

Peter Feldmann: Ich befürchte, wir sind in Frankfurt sogar auf dem unrühmlichen zweiten Platz nach München. Frankfurt ist eine extrem attraktive Stadt mit enormem Zuzug.Die privaten Bauträger und Wohnungsbesitzer verlangen solch horrende Mieten, weil sie es können. Der Markt ist weiterhin – trotz der internationalen Lage – immer noch spekulativ vollkommen überhitzt: Grund und Boden sind eben keine vermehrbaren Güter, wie beispielsweise Autos, sondern endliche Güter, wie unsere Gesundheit. Wer Boden besitzt, kann in Mangelsituationen wie heute damit zocken. Stoppen kann den Prozess neben rechtlichen Einschränkungen nur der Kommunale Wohnungsbesitz, sprich: wenn Kommunen konsequent auf stadteigene Wohnbaugesellschaften setzen.

UZ: In Frankfurt sind mit dem stadteigenen städtischen Wohnungs- und Immobilienkonzern ABG, der Nassauischen Heimstätte im gemeinsamen Besitz von Land und Stadt und der GWH starke Akteure am Platz. Was kann man den privaten Spekulanten entgegensetzen?

Peter Feldmann: Fast jede/r Vierte der Frankfurter Bürgerinnen und Bürger wohnt in einer Wohnung der öffentlichen Hand. Insgesamt verfügen die drei öffentlich-rechtlichen Wohnbaukonzerne über einen Bestand von über 80.000 Wohnungen in der Stadt. Zusätzlich müssen Investoren künftig neue Richtlinien einhalten: Die Hälfte bei Neubauten muss für Sozial- oder Familienwohnungen, 15 Prozent für Genossenschaftswohnungen und Kollektive, 5 Prozent für Studierende oder Lehrlinge zur Verfügung gestellt werden.

Natürlich bleiben weitergehende Forderungen bestehen, so die Änderungen bei der Vergabe von Grundstücken, die Werbung für eine attraktive Wohnungstauschprämie für Ältere, die nicht mehr so viel Platz brauchen.

UZ: Sie haben in Ihrer Funktion als Oberbürgermeister der Stadt versucht, den explodierenden Mietsteigerungen gegenzusteuern. Als die ABG im Juni 2014 Mieterhöhungen freiwillig auf maximal 10 Prozent innerhalb von drei Jahren begrenzte, forderten Sie von dem Konzern einen dreijährigen völligen Verzicht auf Mieterhöhungen. Was war durchsetzbar?

Peter Feldmann: Die Koalitionsparteien CDU und Bündnis 90/Die Grünen vertraten gemeinsam mit der ABG-Geschäftsführung die Auffassung, ein Verzicht auf Mieterhöhungen führe dazu, dass bei der nächsten Überarbeitung des Mietspiegels die verhältnismäßig niedrigen ABG-Mieten nicht mehr berücksichtigt würden, so dass die ortsübliche Vergleichsmiete in Frankfurt steige. Nur Mieten, die erhöht werden, würden im Mietspiegel berücksichtigt.

UZ: Das hört sich ja ziemlich schräg an, dass niedrigere Mieten einer stadteigenen Wohnbaugesellschaft zu höheren Mieten einer Stadt führen können. Ist da etwas dran?

Peter Feldmann: Nicht wirklich. Wir haben das rechtliche Problem ausgeschaltet, indem wir Mietsteigerungen auf 1 Prozent pro Jahr für fünf Jahre begrenzt haben. Inzwischen wurde das auf zehn Jahre verlängert. Das war unser faktischer Mietpreisstopp.

UZ: Wurde der Mietpreisstopp nur parlamentarisch erkämpft?

Peter Feldmann: Im Gegenteil: Anfangs war die parlamentarische Mehrheit der Hauptbremsklotz. Die Menschen haben sich selbst ermächtigt, ihre Inte­ressen in die Hand zu nehmen. Wenn die Bevölkerung, die Gewerkschaften, Mieterbund und Mieterinitiativen nicht monatelang tausende Unterschriften an den Haustüren gesammelt hätten, hätten wir keinen Mietpreisstopp in Frankfurt. Das schafft kein Oberbürgermeister alleine.

UZ: Welche Forderungen hatte das Bündnis darüber hinaus?

Peter Feldmann: Von Anfang an war der geplante Verkauf der Nassauischen Heimstätte als einem der drei öffentlichen Wohnungskonzerne mit im Fokus. Dieser Verkauf verschwand schon zum Beginn meiner ersten Amtsperiode von der Tagesordnung. An jedem Briefkasten hingen die Unterschriftenlisten dagegen.

UZ: Die Verfechter von „Privat vor Staat“ tragen die Monstranz vor sich her, dass Private besser wirtschaften würden als öffentliche Unternehmen …

Peter Feldmann: Die öffentliche ABG macht seit Jahren – trotz Mietpreisstopp – Rekordgewinne. Ließe sich mit Wohnungen kein Profit machen, würden Private ja nicht in diesen Bereich drängen. Besser, der Gewinn landet bei den Bürgern, als in den Kassen der Konzerne. Beispiele: Kostenlose Kitas in Frankfurt, das Ziel der kostenlosen Kinderkrippen, kostenlose Freizeitangebote wie Schwimmbäder, Museen und Zoo für Jugendliche, das 1-Euro-Ticket für Kinder, Schüler, Jugendliche und Senioren. Das alles wäre nicht möglich, wenn man es „dem Markt“ überlässt. Ohne Maßnahmen gegen die wildgewordenen Spekulanten wären wir heute wahrscheinlich schon vor München bei den Mietpreisen.

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"Konsequent auf stadteigene Wohnbaugesellschaften setzen", UZ vom 12. Mai 2023



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