Etatdebatten in Kreisen und Gemeinden angelaufen. Mandatsträger der DKP mit klarer Haltung

Kommunisten gegen Kriegshaushalte

In vielen Kommunen fanden im Dezember die Haushaltsberatungen für das Jahr 2024 statt. Mitglieder der DKP nutzten ihre Redezeit in den Kreistagen und Gemeinderäten, um auf den Niedergang der Kommunen, die enormen Rüstungsausgaben des Bundes und die drastisch verschlechterte soziale Situation hinzuweisen. UZ dokumentiert Auszüge der Haushaltsreden von Andreas Heine und Vincent Cziesla.

Im Haushalt des Werra-Meißner-Kreises fehlen 14 Millionen Euro. Der Kreistagsabgeordnete Andreas Heine widmete sich den Ursachen und Folgen einer Politik, die die Kommunen kaputtspart und das Leben für viele Menschen zu teuer macht:

Ich hoffe, Sie müssen zu Hause nicht frieren, anders als 5,5 Millionen Menschen in unserem Land, die nach eigenen Aussagen ihre Wohnung nicht angemessen heizen können. Ich denke auch, von Ihnen muss niemand zur Tafel gehen, um genug Lebensmittel für seine Familie zu haben. Millionen in unserem Land sind hingegen auf die Tafeln angewiesen. Die wiederum sind völlig überlastet, haben größtenteils Wartelisten und können den gestiegenen Bedarf nicht abdecken. Im Werra-Meißner-Kreis gelten über 15 Prozent der Kinder (das sind über 2000) als arm. (…)

Sowohl die Armen, die sozial ausgegrenzten Kinder, die Menschen, die von Mindestlohn leben müssen oder in anderen prekären Beschäftigungsverhältnissen tätig sind, die derzeitigen und künftigen Armutsrentner sind ebenso Opfer einer verfehlten Politik auf Bundes- und Landesebene wie die Kommunen, die, hoch verschuldet, kaum in der Lage sind, ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen, geschweige denn ihre kommunale Selbstverwaltung im eigentlichen Sinne umfassend wahrzunehmen.

Nach Hessenkasse, Schutzschirm, Schuldenbremse und anderen wohlklingenden Programmen und Gesetzen, die den Leistungsabbau im kommunalen Bereich und die gleichzeitige Erhöhung von Grundsteuern, Hundesteuern und sogar die Einführung von Pferdesteuern ausgelöst haben, rutschen wir jetzt schon wieder in ein gigantisches Defizit und Verschuldungsloch. (…)

Und die Aussichten für 2025 sind ja noch wesentlich schlechter: Eine weitere deutliche Erhöhung der Kreisumlage wird die Defizite der Städte und Gemeinden weiter erhöhen und wird sich in weiteren Leistungseinschränkungen, Schließungen öffentlicher Einrichtungen, Verfall öffentlicher Infrastruktur und massiven Erhöhungen der Grundsteuern niederschlagen.

Und hier sind wir wieder bei denen, mit denen ich angefangen habe: Wer zahlt die Grundsteuern? Die Menschen in unserem Kreis, egal ob als Grundeigentümer oder als Mieter, denen die Grundsteuererhöhung über die Miete weitergereicht wird. Die Armen sind wieder am stärksten betroffen. Sie sind auf eine funktionierende kommunale Infrastruktur am meisten angewiesen, vom Schwimmbad bis zur Stadtbücherei, vom Jugendtreff bis zu einem funktionierenden ÖPNV.

Die strukturelle Unterfinanzierung der Kommunen ist politisch gewollt. Sie verstärkt den Privatisierungsdruck und schränkt die kommunale Selbstverwaltung immer weiter ein. (…)

Wenn die Bundesregierung, die sich selbst als „Fortschrittskoalition“ bezeichnet, ihre Haushaltsansätze in fast allen Bereichen, bei Bildung, Gesundheit, Wohnungsbau, kürzt und gleichzeitig Abermilliarden für Krieg und Rüstung bereitstellt, dann ist das eine fatale Entwicklung und hat mit Fortschritt beim besten Willen nichts zu tun.

Wenn ein Herr Pistorius fordert, dass unser Land „kriegstüchtig“ werden soll, wenn die Bundeswehr zur zweitstärksten Armee der NATO hochgerüstet werden soll, dann ist doch völlig logisch, dass das Geld bei Bildung, Gesundheit, Wohnungsbau und Klimaschutz fehlt.

Und „fortschrittlich“ ist es übrigens auch nicht, wenn der Ruf nach eigenen Atomwaffen, der früher von Franz-Josef Strauß kam, jetzt von einem ehemaligen Grünen-Außenminister vorgetragen wird!

Ich würde mir wünschen, dass wir „friedenstüchtig“, „bildungstüchtig“, „gesundheitstüchtig“, „wohnungsbautüchtig“ und „klimatüchtig“ werden! (…)

In Neusser Stadtrat (Haushaltsdefizit: 50 Millionen Euro) knöpfte sich Vincent Cziesla die schwarz-rote Koalition vor und ging auch auf die Versuche ein, Obdachlose und Drogensüchtige aus dem Stadtbild zu vertreiben:

(…) diskutiert wird am Ende nur über Symptome: Abhängige an der Stadthalle, genervte Anwohner, liegengelassener Müll. Das sieht nicht schön aus, aber das dahinterliegende Problem ist sozialer Natur. Warum nimmt denn die Zahl der suchtkranken Menschen oder der Obdachlosen im öffentlichen Raum zu?

Das ist keine Frage von zu wenig Polizei, von Beratungsstellen oder Anstrengungen des Gesundheitsamtes. Das ist schlicht die Spitze des Eisberges einer wachsenden Gruppe von Menschen, die für sich keine Perspektive mehr sehen, die nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen. An denen stört sich aber niemand, solange sie noch nicht vor der Stadthalle sitzen. „Die im Dunkeln sieht man nicht“, wusste schon Bertolt Brecht. Und die Art, wie diese Debatte in Neuss geführt wird, trägt leider nicht zur Erhellung bei.

Das funktioniert übrigens auch andersrum: Die soziale Situation bedingt nicht nur Suchterkrankungen, sondern der Blick auf solche ändert sich auch je nach Status. Wenn Sie mir das nicht glauben, dann denken Sie mal darüber nach, wenn Sie morgen aufstehen und Ihren Frühstückscognac aus der Vitrine holen, ob Ihr Selbstbild bei einer Flasche Klaren am Büdchen nicht ein anderes wäre.

Und wenn Sie schon dabei sind: Fragen Sie sich doch auch folgendes: Es ist abzusehen, dass die Situation für viele Haushalte in den kommenden Monaten schwieriger wird. Die Preisbremsen werden abgeschafft, im Gegenzug werden laufende Kosten wie das Heizen oder der Strom noch teurer werden, als sie ohnehin schon sind. Halten Sie es in dieser Situation für eine gute Idee, ausgerechnet das Sozial- und Jugenddezernat aufteilen zu wollen? Wir nicht! (…)

Allein bei der kommunalen Pflichtaufgabe der Kindertagesbetreuung gibt es eine Unterdeckung im mittleren zweistelligen Millionenbereich. Das hat hauptsächlich damit (zu tun), dass sich das Land einen schlanken Fuß macht und nicht einmal ansatzweise für die Kosten aufkommt, die bei uns verursacht werden. Es ist jetzt schon abzusehen, dass das beim kommenden Anspruch auf einen OGS-Platz nicht viel anders sein wird.

Zugleich dreht die Bundesregierung mit ihren Steuerreformen an der Einkommensgrundlage unserer Stadt. Im Bundeshaushalt steht alles zur Disposition bis auf das im Grundgesetz abgesicherte „Sondervermögen“ für die Bundeswehr. Wie genau wollen Sie denn unter diesen Bedingungen „solide wirtschaften“? Mit so albernen Floskeln kommen wir doch nicht weiter. Was es bräuchte, wäre eine politische Haltung, die sich mit der Frage beschäftigt, welchen Wert die kommunale Selbstverwaltung noch hat, wenn unsere finanziellen Grundlagen planmäßig heruntergewirtschaftet werden.

Dass Sie das nicht wollen, kann ich verstehen. Aber dann müssen Sie auch verstehen, dass wir einem Haushalt nicht zustimmen können, der nicht einmal im Ansatz die eigenen Grundlagen hinterfragt und objektive Handlungsunfähigkeit als Gestaltungsmacht verkauft. (…)

Am Ende wird auch diese Kraftmeierei von der Wirklichkeit eingeholt. Und dann werden eben wieder Grundstücke verkauft oder nach den Wünschen des einzigen Investors gestaltet, der sich findet. Dann wird wieder ignoriert, was eigentlich nötig wäre, weil es gar nicht geleistet werden kann. Auf dem Rest bleiben wir sowieso sitzen.

Mit einer planvollen Stadtentwicklung hat das doch nichts zu tun, mit Politik schon gar nicht. (…)

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"Kommunisten gegen Kriegshaushalte", UZ vom 5. Januar 2024



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