Zugegeben, es gibt politischere Filme. Hollywood und der Kommunismus, das ist eine komplizierte Sache. Bis heute. Und wären wir Kommunisten nicht so schwach, vielleicht gäbe es nicht einmal diesen Film. An reaktionären, religiös-fanatischen Eiferern mangelt es auch heute nicht. Einer von ihnen, Ted Cruz, bewirbt sich gerade für das Präsidentenamt.
Regisseur Matthew Jay Roach, früher eher bekannt für Austin-Powers-Filme oder schlichte Komödien vom Kaliber „Meine Braut, ihr Vater und ich“, ist bislang nicht gerade durch analytische Ernsthaftigkeit aufgefallen. Möglicherweise haben die Krise und die wenig erbaulichen politischen Realitäten der letzten Obama-Jahre ihn veranlasst, sich mit umstrittenen Personen der US-Geschichte zu befassen. Aber einen leibhaftigen Kommunisten entstehen zu lassen, von dem man erfährt, was ihn bewegt und antreibt und was das spezifisch Kommunistische seines Denkens ausmacht und warum es dieses Denken auch und gerade in „Gods own Country“ gibt, das wäre denn doch wohl ein bisschen arg viel verlangt. Und so wird aus dem Kommunisten Dalton Trumbo posthum ein American Hero. Der FAZ ist selbst das schon zu viel.
Immerhin. Ein American Hero, der nicht im John-Wayne- oder Sylvester-Stallone-Stil zynisch-stupide grinsend auf selbstgeschossenen Leichenbergen steht, sondern in der Badewanne oder am Schreibtisch sitzend an seinen Texten feilt und völlig unkorrekt Whisky säuft und Kette raucht. Und der dazu noch, warum auch immer, das Stigma „Commie“ mit sich herumträgt. Aber immerhin einer, der sich – klassisch – gegen alle Widerstände zum Sieg kämpft, zum versöhnlichen, altersmilden Happy End inklusive glücklicher Sonnenscheinfamilie.
„Trumbo“ gibt uns einen Einblick in die Zerstörung der glamourös-heilen Welt des US-Kinos durch den Kalten Krieg. Ein Blick durch die Brille eines seiner Erfolgreichsten. Der Drehbuchautor Dalton Trumbo (Bryan Cranston) galt Ende der 1930er und in den frühen 1940ern als einer der bestbezahlten Autoren Hollywoods. Die (immer fragile) Anti-Hitler-Koalition, das taktisch begrenzte gemeinsame Interesse von SU und USA, die Bedrohung durch die faschistischen bzw. militaristischen Achsenmächte zu zerschlagen, machte in Hollywood auch Kommunisten akzeptabel. Zeitweise.
Kommunisten standen nicht nur in der Roten Armee, sondern in vielen Staaten in vorderster Front gegen einen brutalen Faschismus, der nahezu ganz Europa überrollt und zu seiner Machtbasis gegen die SU und, nicht ganz so geplant, auch gegen Großbritannien/USA geformt hatte. Der aufopferungsvolle Kampf der Kommunisten, die im Gegensatz zu den rassisch Verfolgten individuell in der Regel durchaus eine andere Wahl gehabt hätten, nötigte vor allem der Intelligenz einigen Respekt ab. Wer intellektuell etwas auf sich hielt, kam am Kommunismus nicht vorbei.
Die Kalten Krieger in FBI, OSS & Co. und vor allem die Hearst-Presse wussten natürlich ihren zeitweilig verordneten Antifaschismus von jenem der „Premature Anti-Fascists“ zu unterscheiden, also jenen Antifaschisten, die schon vor Pearl Harbor beispielsweise in der Lincoln-Brigade gegen Franco gekämpft hatten. Letztere waren natürlich kommunistische Verräter. Wer also gegen Richthofens „Legion Condor“ bei Guernica gekämpft hatte, war ein Schurke, wer gegen die Luftflotte 4 desselben Richthofen und desselben Hitler bei Stalingrad kämpfte, war ein Held. Zumindest zeitweise.
Dieses Moralkonzept verfocht die US-Meinungsindustrie, im Film personifiziert durch die militant antikommunistische Klatschkolumnistin Hedda Hopper (brillant: Helen Mirren), nach Churchills Fulton-Rede (5. Mai 1946) in einer radikalisierten Variante. Dem Aufstieg zur „Einzigen Weltmacht“ stand nur noch die Sowjetunion im Weg. Und mit ihr das vom deutschen Faschismus unerledigt gelassene Problem des Roten Oktober. Nun hatte man die Bombe. Eine Art nuklearer Peacemaker. Damit würde man der Commies schon Herr werden.
Was also dringend gebraucht wurde, war panikartige Kriegsstimmung. Nicht einfach nach den ausgelassenen Siegesfeiern in New York, London und Paris und einem nach Stalingrad zunehmend sympathisch erscheinenden „Uncle Joe“. Die Zeit der Hoppers und McCarthys war gekommen. Die hysterisch-antikommunistische Feindbildproduktion startet zu ungeahnten Höhenflügen. „The second red scare“, die zweite rote Angst (die erste, von Alexander Mitchell Palmer und John Edgar Hoover gesteuerte, versetzte das Land von 1917 bis Anfang der 1920er in Ausnahmezustand) hatte begonnen.
Die CPUSA war denkbar weit entfernt von einer Machtübernahme, die SU großflächig zerstört und bar jeder Angriffsmittel. Die inmitten der Kriegszerstörung unzerstörten, atomar gerüsteten und praktisch unangreifbaren USA repräsentierten 50 Prozent der globalen Wirtschaftskraft. Ein Angriff auf sie erschien nachgerade absurd. Also mussten Vorgänge im Ausland, welche die USA eigentlich nichts angingen, die chinesische Revolution, der Koreakrieg, die Etablierung sozialistischer Regierungen in Osteuropa, und innenpolitisch die Spionagephobie im Zusammenhang mit der sowjetischen Atombombe herhalten. Ethel und Julius Rosenberg bezahlten diese Panikmache mit ihrem Leben. Nur diese Hysterie machte es möglich, dass jemand so harmloses wie ein Hollywood-Stückeschreiber als Staatsfeind Nummer Eins für eine globale Supermacht erscheinen konnte.
„Trumbo“ verrät uns von diesen Hintergründen wenig bis nichts. Wir sehen stattdessen das ruhige Leben einer US-amerikanischen Oberschichtfamilie. In diese Idylle bricht, mehr oder weniger aus heiterem Himmel, der Ausschuss für unamerikanische Umtriebe und McCarthys Government Operations Committee ein. Der ebenso großmäulige wie alkoholsüchtige „Tail Gunner Joe“ McCarthy war das ideal-skrupellose Werkzeug seiner Hintermänner in Politik, Geheimdiensten und militärisch-industriellem Komplex. Unter dem enormen Druck der Mediendenunziatoren wie Hedda Hopper und anderen knickten selbst ehemalig Freunde der als „Hollywood Ten“ bekannten angeklagten Filmschaffenden ein. Andere, wie John Wayne, Robert Taylor oder Ronald Reagan von der Motion Picture Alliance, brauchen vom antikommunistischen Kreuzzug nicht erst überzeugt werden. Die elitäre Theoretikerin des „rationalen Egoismus“ Ayn Rand (Alissa Sinowjewna Rosenbaum) brachte es 1947 in ihrem „Pamphlet for the Alliance“ auf den Punkt: „Der Zweck der Kommunisten in Hollywood ist es nicht, politische Filme zu drehen, die offen den Kommunismus propagieren. Ihr Zweck ist, unsere Moral mit nichtpolitischen Filmen zu zersetzen, indem sie kleine beiläufige Teile von Propaganda in unschuldige Geschichten einbauten. “ Hunderte dieser „Moralzersetzer“ kamen auf die Schwarze Liste. Nicht sehr viele hatten die Möglichkeit wie die Stückeschreiber, sich dem persönlichen Ruin unter einem Decknamen zu entziehen. Es gelingt Regisseur Roach und vor allem Helen Mirren, zumindest eine Ahnung von diesem repressiven Klima zu vermitteln.
Wie viele Kommunisten wandert auch Dalton Trumbo nach 1945 in den Knast und auf die Schwarze Liste. Nach Jahren elender Zeilenschinderei für B-Movies bei King Brothers Productions gelang 1960 mit Kirk Douglas‘ (Dean O‘Gorman) Film „Spartacus“ und Otto Premingers‘ (Christian Berkel) „Exodus“ der Durchbruch. Der Name Trumbo stand wieder auf den Plakaten.
Wir wollen die Verdienste von Douglas und Preminger, auch Kennedy soll geholfen haben, nicht schmälern. Aber ganz so einfach war es nicht. Es war der Sputnik-Schock (1957), der die Lage radikal änderte. Die SU hatte die Wasserstoffbombe und die notwendigen Trägermittel. Die USA waren nun tatsächlich verwundbar. Die Politik des Großen Knüppels funktionierte nicht mehr. Die Hoppers und McCarthys durften auf die Reservebank (bis sie unter Reagan und nach 1989 als Neocons ein Comeback feierten). Die Kennedys und Brandts konnten zwischenzeitlich ein bisschen „mehr Demokratie wagen“ und Menschen wie Dalton Trumbo ein bisschen rehabilitieren.