Bestellter Eklat um die Proteste gegen die „Münchner Siko“

Kommunalpolitiker gegen Friedenskonferenz

Seit 2003 findet die „Münchner Friedenskonferenz“ als Gegen- und Alternativveranstaltung zur NATO-Kriegskonferenz statt. Auch dieses Jahr war der Austausch im Alten Rathaus geplant, doch vor drei Wochen kam es dann zur überraschenden Absage durch die Veranstalter. Organisiert wird die Konferenz von einem Trägerkreis, dem unter anderem die Friedens- und Kriegsdienstgegner-Organisation DFG-VK, der Internationale Versöhnungsbund, Pax Christi und die Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit sowie bis vor kurzem noch der Kreisjugendring angehörten. Darum, dass sich dieser Trägerkreis nun selber für die Absage ihrer Veranstaltung entschieden hat, hat sich der Münchener Stadtrat Marian Offmann verdient gemacht.

Marian Offmann ist seit wenigen Wochen Mitglied der SPD. In den Stadtrat gewählt wurde der Hausverwalter vor achtzehn Jahren auf der Liste der reaktionären CSU. Für den Münchner Bezirksverband der Bayerischen Regierungspartei war er als Pressesprecher aktiv und mehrere Legislaturen ein bekanntes Gesicht der Münchner CSU.

Offmann steckte seine Kraft als Stadtrat unter anderem in jahrelange Öffentlichkeitsarbeit gegen das Münchner Eine-Welt-Haus. Diese internationalistische und interkulturelle Einrichtung bietet Veranstaltungs- und Seminarräume sowie eine Gastwirtschaft. Sie wird von vielen linken Gruppierungen genutzt und ist auch der Treffpunkt der Siko-Gegnerinnen und -gegner in München. Dem Offmann war dies ein Dorn im Auge, er stellte schon 2012 im Stadtrat eine Anfrage wegen einer Ausstellung von Anti-Siko-Bündnis und ISW. Denn diese Ausstellung setzte sich kritisch mit der NATO auseinander. Das sei zwar „angesichts unserer demokratischen Grundrechte nicht untersagt“, heißt es in der Anfrage, doch: „Das in der Programmankündigung abgebildete verfremdete NATO-Logo mit Totenkopf und Raketenabschuss ist unsäglich.“ Die Anfrage im Stadtrat endet mit den Fragen: „Folgen Sie unserer Vorstellung, dass mit dem geschilderten Tenor die Ausstellung im Eine-Welt-Haus nicht stattfinden kann?“ Und: „Welche weiteren Konsequenzen wird der Oberbürgermeister aus diesem Vorfall ziehen?“

Eben jener Marian Offmann fand dann später in der Grünen-Fraktion Mitstreiter für seinen Kampf gegen das Eine-Welt-Haus. Diesmal war der Vorwurf, dass das Haus Antisemiten Platz biete. Nicht das erste Mal, dass mit diesem schwerwiegenden Vorwurf leichtfertig umgegangen wird, denn gemeint waren vielmehr Friedensaktivisten, die die israelische Regierungspolitik kritisierten. Der Versuch, dem Eine-Welt-Haus die Unterstützung zu entziehen, war vorerst gescheitert, da setzte sich Offmann für einen Stadtratsbeschluss gegen die palästina-solidarische BDS-Kampagne ein. BDS richte sich gegen den Staat Israel, sei damit antisemitisch und darf in städtischen Räumen keine Erwähnung mehr finden, entschied der Stadtrat.
Da der Stadtrat im selben Atemzug beschlossen hatte, dass auch über entsprechenden Stadtratsbeschluss nicht in öffentlichen Räumen diskutiert werden dürfe, sahen unter anderem die Humanistische Union (HU) die Meinungsfreiheit in der Landeshauptstadt in Gefahr. Denn die Praxis des Beschlusses zeigt: Veranstaltungen mit Sommerfeld oder Zuckermann sollen in München verunmöglicht werden. Zu einer von der HU organisierten Diskussionsveranstaltung war auch Offmann eingeladen, um seine Sicht der Dinge darzustellen zu können. Doch er verweigerte jeglichen Dialog. So hält er es auch dieses Mal, beim Eklat um die Münchner Friedenskonferenz.

Was war passiert? Oberbürgermeister Reiter von der SPD wollte Offmann als Überbringer des städtischen Grußworts auf die Friedenskonferenz schicken. Offmann ist nämlich neuerdings Parteigänger von SPD-Reiter, nachdem er vor wenigen Monaten von seiner CSU keinen aussichtsreichen Listenplatz mehr versprochen bekam. Den bekam er nun von der SPD zwar auch nicht, dafür aber durfte er das Grußwort bei denen halten, mit denen er sonst kein Wort wechseln will.
Als der Trägerkreis der Friedenskonferenz nun vorsichtig bei der Stadt vorfühlte, ob man sich auf einen anderen Redner einigen könne, um die BDS-Kontroverse aus der Konferenz zu halten, ging Offmann damit direkt an die Presse. Offmann setzte die Erzählung in die Welt, er sei ausgeladen worden, weil er Jude ist. Der Trägerkreis der Friedenskonferenz hatte bis dato noch nicht einmal nachfragen können, warum sie einen so polarisierenden langjährigen CSU-Politiker als Redner akzeptieren sollten.

Die Argumentation dahinter präsentiert er selber in einem Gastbeitrag in der „Jüdischen Allgemeinen“. Dort schreibt er über die Ausladung durch Tommi Rödel zwar: „Gemeint hat er sicherlich meine ablehnende Haltung zu BDS.“ Daraus unterstellt er dann aber ein antisemitisches Motiv: „Andere Stadtratskollegen, die meine Haltung zu BDS teilen, wurden in den vergangenen Jahren nicht ausgeladen. Warum dann ich?“ Die Antwort dürfte in seiner exponierten Rolle als eine der treibenden Persönlichkeiten hinter dem Diskussionsverbot zu finden sein.

Doch die Lokalpresse ignoriert diese Hintergründe und auch OB Reiter verbreitet diese Erzählung. So schreibt er in einem Brief an den Trägerkreis der Friedenskonferenz: „Sie weisen den Vorwurf des Antisemitismus ‚in jeder Form zurück‘. Allerdings vermisse ich in ihrem Schreiben eine Erklärung, dass die Ablehnung von Herrn Stadtrat Offmann als Überbringer des städtischen Grußworts zurückgenommen wird – unabhängig davon, ob Herr Offmann dieses Angebot nun noch wahrnehmen würde.“ Antisemitismus misst sich nun wohl an der Loyalität gegenüber der Stadtregierung. Das Ziel der Lokalposse brachte die Münchner „Abendzeitung“ schnell auf den Punkt: „Nach der Absage an Marian Offmann, als Vertreter der Stadt bei der Friedenskonferenz ein Grußwort zu sprechen, wird über das Bündnis der Siko-Gegner diskutiert.“

Offmann ist kurz vor seinem zu erwartenden Ausscheiden aus dem Stadtrat Mitte März diesen Jahres noch ein – hoffentlich letzter – Coup gelungen. Nachdem der Trägerkreis dem öffentlichen Druck und den heftigen Vorwürfen nicht mehr standhalten konnte, wurde die Friedenskonferenz abgesagt. Anstatt über die sogenannte Münchner Sicherheitskonferenz wird nun über ihre Gegner diskutiert.


Unabhängig von den Vorgängen um die Friedenskonferenz fand am Samstag eine Anti-Kriegs-Konferenz im Münchner Gewerkschaftshaus statt. Sie wurde vom Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz mit Unterstützung der Bildungsgewerkschaft GEW organisiert. Vor über hundert TeilnehmerInnen sprachen Dr. Werner Ruf, Karin Leukefeld, Lühr Henken und Jacqueline Andres. Für Donnerstag, 13. Februar, lädt die DKP zur Infoveranstaltung „Alle gegen China?“ mit Jörg Kronauer ins KommTreff, Holzapfelstraße 3, ein. Am Samstag, 15. Februar, findet die Großdemo gegen die NATO-Kriegskonferenz statt. Sie beginnt um 13 Uhr am Stachus (Karlsplatz).

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"Kommunalpolitiker gegen Friedenskonferenz", UZ vom 7. Februar 2020



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