Trump verkündete, die US-Truppen würden aus Syrien abziehen und veränderte damit die Verhältnisse im Norden Syriens. Die kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG baten die Regierung um Hilfe gegen eine drohende türkische Invasion. Das syrische Oberkommando verkündete, die Armee werde jeden Besatzer vertreiben. Im Juli 2012 musste die syrische Armee aus Manbidsch abziehen – jetzt kehrte sie zurück.
„Die Terroristen müssen die Gebiete östlich des Euphrats verlassen. Wenn sie nicht gehen, werden wir sie loswerden, weil sie uns stören“, drohte Erdogan über Monate und kündigte eine Offensive der Türkei im Norden Syriens an. Ein militärischer Aufmarsch von Dschihadisten und Armee mit Panzern und schwerem Gerät verlieh seinen Worten Gewicht.
Die Drohungen der türkischen Regierung verdeutlichen, dass die „Einheit Syriens“, die internationale Konferenzen immer wieder beschwören, nur auf dem Papier besteht. Der Norden Syriens mit seinem Öl- und Gasreichtum und wichtigen landwirtschaftlichen Anbaugebieten steht unter Kontrolle der „Demokratischen Kräfte Syriens“ (SDF) unterstützt von mehreren Tausend Soldaten der US-Armee. Die Ausweitung der kurdischen Kontrolle weit über die kleinen und wirtschaftlich schwachen „Kantone“ von Rojava hinaus war die Voraussetzung dafür, ein autonomes Gebiet zu bilden – das traf sich mit den Interessen der USA. Für die türkische Regierung war es ein rotes Tuch.
In den Auseinandersetzungen zwischen SDF und der Türkei mussten die USA immer wieder versuchen, deeskalierend zu wirken, waren doch beide ihre „strategischen Partner“. Der Oberbefehlshaber der SDF, Mazlum Kobani, hatte gegenüber Reuters noch vor Kurzem erklärt, die USA würden ernsthaft daran arbeiten, eine türkische Offensive zu verhindern. Aber sie müssten mehr tun.
Was aber, wenn die USA ihre schützende Hand von den SDF abziehen? Erdogan und Trump vereinbarten offenbar eine „effizientere“ Kooperation in Nordsyrien. Und Erdogan behauptete darüber hinaus, dass Trump türkischen Aktivitäten östlich des Euphrat aufgeschlossen gegenüberstehe.
Und dann platzte die Bombe: Trump verkündete den Abzug der US-Truppen aus Syrien. Sie waren dort illegal nach internationalem Recht ebenso wie nach US-Recht. Aber die Ankündigung, sie würden abziehen, führte zu Aufruhr – weit über Washington hinaus. Das Pentagon, Minister aus Deutschland, Großbritannien und Frankreich widersprachen Trump heftig. Israel kündete an, die eigenen militärischen Angriffe zu intensivieren.
Für die türkische Politik eröffnen sich viele Möglichkeiten, schließlich ist sie von Russland und den USA umworben. Nach der Ankündigung des US-Abzugs und den Verhandlungen in Moskau bekennt sich die Türkei weiter zur Zusammenarbeit mit Russland und dem Iran. Doch der türkische Truppenaufmarsch an der Grenze zu Syrien ging weiter – ebenso verstärkte die syrische Armee ihre Präsenz um Manbidsch. Dschihadisten der FSA, US-Soldaten, YPG – sie alle machen Manbidsch und Umgebung zu einem Pulverfass. Russland musste jetzt von den USA die Aufgabe übernehmen, zwischen der Türkei und den kurdischen Interessen zu vermitteln. Ein türkischer Angriff scheint vorerst abgewendet und weitere Verhandlungen in Astana werden folgen.
Kommt jetzt der Rückzug vom US-Rückzug? Solange noch US-Soldaten in Manbidsch stationiert sind, ist die Haltung der YPG gegenüber der syrischen Regierung weiterhin zweideutig. Doch Abzug oder nicht – die YPG werden die syrische Regierung als Partner brauchen. Die Absprachen um die Stationierung syrischer Truppen bei Manbidsch sind ein erster Schritt.