Keine lösbare Aufgabe, murrt der ratlose Mai. Er könne Grün nur bei Bäumen. Außerdem wundert er sich über diesen eigentümlich klingenden Wunsch einer Kommunistenseele. Muss sie nicht eher denken: Wer grün sein will, kommt ohne Rot nicht weit? Weil Umweltschutz als Menschenschutz global und gerecht nur durch soziale Hebel zu bewirken ist, die frei sind von ausbeuterischen Verhältnissen? Weil sich ökologische Vernunft in den Fesseln ungezügelter Profitgier zu Tode reibt?
Die Seele denkt ja tatsächlich so, aber sie sieht auch, wie dringende Minimalkonsense krachen. Wie trügerische Öko-Label in den Flaniermeilen der westlichen Wertewelt das Gewissen einer grünbehauchten Klientel beruhigen. Die hinterfragt in ihren relativen Wohlstandszonen mit seltsamer Prioritätensetzung zwar die Fair-Trade-Versprechen der Anbieter von Flug-Mangos, aber längst nicht mehr die menschen- und umwelttötenden Waffendeals der Führung ihrer Wahlpartei. Ihr fehlt die Lust der grünen Gründergeneration, sich widerständig gegen konservativen Gesellschaftsmief ihre Weltbilder zu erstreiten. Dafür wuchert die Neigung, sie sich als parteikonforme Fertiggerichte medial servieren zu lassen.
Wo aber die komplizierte Ursächlichkeit von Welterschütterungen fatal einseitig wahrgenommen wird und jede Besinnung auf pazifistische oder gar antiimperialistische Frühpositionen aufgegeben ist, da redet der Altsozialist Jean Jaurès seine Mahnung in taube Ohren, dass der Kapitalismus den Krieg in sich trägt wie die Wolke den Regen. Bevor Joseph Fischer NATO-Bomber gegen jugoslawische Städte aufsteigen ließ, war mit den Grünen in Friedensfragen ein antibellizistischer Konsens erzielbar. Seit ihrer „Wesensveränderung“ (Antje Vollmer) besorgt deren Führung das Geschäft transatlantischer Nibelungentreue und opfert selbst ökologische Ziele ihrer ideologischen Verblendung.
In hochbrisanter Zeit navigiert nun ein Dilettantenpaar, vom Kanzler kaum gezügelt, das deutsche Staatsschiff vor Abgründe. Außenministerin Baerbock, deren arrogante Oberlehrermanieren kürzlich gegen chinesische Mauern prallten, ruiniert die Reste von Anstand und Souveränität bundesdeutscher Diplomatie. Die politischen und wirtschaftlichen Zukunftsperspektiven Deutschlands und Europas gegen Washingtons Hegemoniebestrebungen zu verteidigen; sich an die Spitze diplomatischen Ringens um Frieden in der Ukraine zu stellen, der großen Mehrheit der Weltbevölkerung in ihrem Willen zu folgen, die globalen Geschicke in multipolarer Verantwortung zu lenken, das wäre die eigentliche Herausforderung für eine grüne Außenpolitik. Aber die ins Amt der Chefdiplomatin Gehobene scheitert schallend.
Wirtschaftsminister Habeck war früh damit beschäftigt, die günstige, auch in Spannungszeiten stets zuverlässige Energieversorgung Deutschlands aus russischen Quellen zu torpedieren. Er spricht vom „Wegfall der Gaslieferungen“, als hätte seine Phalanx nicht durch ideologisch aufgeheizten Boykotteifer mit teuren Folgen für Wirtschaft und Privathaushalte zeitig zum Versiegen gebracht, was dann durch Bombeneifer am Ostseegrund vollendet wurde. Das Ergebnis sind neue, schwerer wägbare Abhängigkeiten. Auch forderte Robert Habeck als erster namhafter deutscher Politiker – im Mai 2021, als er noch Grünen-Chef war – Waffenlieferungen an die Ukraine. Da gab es den Krieg noch nicht, wohl aber den alarmierenden NATO-Drang nach Osten, weshalb russische Sicherheitsbedenken Vernunft einforderten. Sie wurden nicht gehört. Nun hat der unheilvolle Waffengang immense humane und materielle Verheerungen angerichtet. Er ist auch ein ökologisches Desaster. Allein bis November 2022 hat er 100 Millionen Tonnen CO2 freigesetzt, was dem Verbrauch der Niederlande im selben Zeitraum entsprechen soll.
Komm, lieber Mai, und mache … Schon klar, eine unlösbare Aufgabe. Aber man wird ja mal träumen dürfen. Und Zeiten ändern sich. Wenn aufgeklärtes Grün eines besseren Tages nicht mehr über Beck und Bock spränge, um wie viel kräftiger könnte das Bündnis sein, das das Nächstliegende erreichen will: Frieden, Abrüstung, Völkerverständigung – auch mit Russland und China!