Nach Merkels Südosteuropatour: Der Balkan als Bastion der Festung Europa

Kohlsuppe

Von Zoran Sergievski

Modellabschnitt

Ungarn beginnt mit Bau von Grenzzaun

Vier Meter hoch, 175 Kilometer lang soll er werden: Der Grenzzaun, den die ungarische Regierung an der Grenze zu Serbien errichten lässt. Über die gesamte Länge der Grenze zwischen beiden Ländern sollen damit Flüchtlinge am illegalen Grenzübertritt gehindert werden. Nach Angaben der ungarischen Regierung seien in diesem Jahr bereits 80 000 Flüchtlinge über die Grenze zu Serbien nach Ungarn gekommen.

Zunächst wird ein „Modellabschnitt“ von 150 Metern Länge gebaut, bis Ende November soll der Grenzzaun fertig sein. 900 Soldaten sind am Bau beteiligt, Spiegel Online berichtete, dass auch Strafgefangene beim Bau eingesetzt werden. Die ungarische Regierung baut ihre Grenzen zum Modellabschnitt der Festung Europa aus – begleitet von rassistischer Hetze und Stimmungsmache gegen Flüchtlinge. UZ

Die Bundeskanzlerin war Anfang Juli auf Besuch am Westbalkan. Innerhalb von zwei Tagen schüttelte sie die Hände von Tiranas Premier Edi Rama, jene seines Belgrader Amtskollegen Aleksandar Vucic und die der dreiköpfigen Staatsspitze Sarajevos. Sie lobte die Länder, welche immer marktradikalere Reformen durchführen, um auf EU-Kurs zu kommen. Während Bosniens Souveränität ohnehin durch den „Hohen Repräsentanten“, einen UN-Statthalter, beschnitten ist, wurden gerade Serbien immer größere Zugeständnisse in jahrelangen Verhandlungen abgepresst.

So gründete Belgrad 2001 eine Treuhandanstalt zur Zerschlagung staatlicher Betriebe. Bis 2011 wurden Brüsseler Almosen immer wieder an die Auslieferung einzelner serbischer Militärs und Politiker der 1990er geknüpft. Doch damit nicht genug: Serbien beherbergt seit den Jugoslawienkriegen zumeist ethnisch serbische Flüchtlinge. Man schätzt ihre Zahl auf über 60 000. Die NATO-Mächte Deutschland und USA hatten diese Menschen mit ihrer Parteinahme gegen Belgrad und die Bombardierung Bosniens vertrieben. Die Suppe, die Helmut Kohl und seine Verbündeten dem Balkan einbrockten, soll die Region nun selber auslöffeln.

Hinzu kommen die aktuellen Flüchtlingsströme aus Afghanistan, Afrika und Nahost. Sie folgen zwei wesentlichen Routen: über das Mittelmeer und den Balkan. Die kürzeste Strecke in die EU führt nicht in die krisengebeutelten Mitgliedsstaaten Bulgarien oder Rumänien, sondern ins nationalistische Ungarn. Und der schnellste Weg dorthin führt durch Serbien.

Belgrad spürt das: „Tausend Flüchtlinge am Tag für ein nicht sehr großes Land: Das ist eine sehr große Herausforderung“, sagte Merkel bei ihrem Besuch. Während Ungarn einen Zaun zur Südgrenze aufzieht, der die Ströme nur umlenken, jedoch nicht aufhalten wird, zeigt sich die serbische Innenpolitik ähnlich überfordert. 2015 wurden schon 35 000 Flüchtlinge aus dem Ausland in Serbien aufgegriffen. Diesen Menschen stehen sechs Auffanglager mit 1 100 Plätzen gegenüber. Lokale Experten rechnen mit 70 000 Asylanträgen und 140 000 Menschen, welche bis Jahresende an die ungarische Grenze drängen werden. Dort unterstützen österreichische, deutsche und FRONTEX-Beamte die serbische und ungarische Polizei.

„Deshalb gibt es eine sehr, sehr gute Zusammenarbeit auch mit dem deutschen Innenministerium und mit der Grenzpolizei. Diese Zusammenarbeit werden wir auch vertiefen.“, so Merkel weiter.

Wer von der örtlichen Exekutive und ihren Helfern aus der EU nicht nach Mazedonien, oder, noch schlimmer, in das Kosovo zurückgebracht wird, muss um seine Gesundheit fürchten. (Allein hier flüchten seit 2008 tausende Albaner jährlich. Sie haben aber keine Chance auf Asyl in der EU, da sie laut Brüssel aus einem sicheren Herkunftsland kommen.)

Immer wieder berichten Flüchtlinge von brutalen Übergriffen der serbischen Polizei. Wüste Beschimpfungen, entwürdigende Ganzkörperkontrollen, Schläge, Tritte gehören zum bewährten Repertoire fast jedes balkanesischen Polizisten, sobald es um Minderheiten geht. Verprügelt man keinen Asylwerber, sind eben Homosexuelle oder Angehörige anderer Ethnien dran. Merkels Lippenbekenntnisse zu weiterer Unterstützung der regionalen Flüchtlingspolitik sind daher Drohung und Versagen zugleich. Drohung gegenüber den Flüchtlingen und gewolltes Versagen der kapitalistischen Zentren Europas.

Modellabschnitt

Ungarn beginnt mit Bau von Grenzzaun

Vier Meter hoch, 175 Kilometer lang soll er werden: Der Grenzzaun, den die ungarische Regierung an der Grenze zu Serbien errichten lässt. Über die gesamte Länge der Grenze zwischen beiden Ländern sollen damit Flüchtlinge am illegalen Grenzübertritt gehindert werden. Nach Angaben der ungarischen Regierung seien in diesem Jahr bereits 80 000 Flüchtlinge über die Grenze zu Serbien nach Ungarn gekommen.

Zunächst wird ein „Modellabschnitt“ von 150 Metern Länge gebaut, bis Ende November soll der Grenzzaun fertig sein. 900 Soldaten sind am Bau beteiligt, Spiegel Online berichtete, dass auch Strafgefangene beim Bau eingesetzt werden. Die ungarische Regierung baut ihre Grenzen zum Modellabschnitt der Festung Europa aus – begleitet von rassistischer Hetze und Stimmungsmache gegen Flüchtlinge. UZ

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"Kohlsuppe", UZ vom 24. Juli 2015



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