Zum Husarenstreich der grünen Partei

Kohle statt Atom

Die Älteren erinnern sich sicher noch: „Die nächste Regierung ist die letzte, die noch aktiv Einfluss auf die Klima­krise nehmen kann“, hieß es bei der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ im letzten Bundestagswahlkampf. Als zweitstärkste Partei sind Die Grünen nun Teil dieser Regierung geworden und die Bekämpfung des Klimawandels ist ihnen offenbar gleichsam erfolgreich wie lautlos gelungen. Für diesen bemerkenswerten Erfolg hätten sie sich durchaus etwas feiern lassen können, aber die Hauptsache ist letztlich, dass der Planet gerettet wurde.

Dieser Husarenstreich gibt Habeck und Baerbock nebenbei Raum für andere Aufgaben, die im Wahlkampf gar nicht versprochen worden waren – wie etwa das Ruinieren des größten Landes der Welt. Um über die Wahlversprechen hinausgehen und en passant eine Atommacht erlegen zu können, muss da und dort der Gürtel enger geschnallt werden. Nicht der eigene, sondern der Gürtel derjenigen, die sich Maßanzüge nicht leisten können.

Gas kommt also für ein Mehrfaches des Preises statt per Pipeline künftig verflüssigt auf mit Schweröl betriebenen Schiffen aus Katar und anderen Orten quer über den Erdball und vielleicht sogar in ausreichender Menge – sofern nicht auch andere Länder auf die Idee verfallen, Gas haben zu wollen, denn Flüssiggas-Transportschiffe gibt es erheblich zu wenige. Der Anteil an Gas, der aus den USA kommt, wird dabei per Fracking gewonnen; auch vom Gasfracken in Deutschland ist schon die Rede.

Aber selbst wenn der Planet gerettet ist, kann vorausschauendes Sparen nie falsch sein, zumal künstliche Verknappung den Händlern fette Gewinne bringt und die Gürtelträger den Aufpreis dafür zahlen. Strom, der nicht mehr durch Gas gewonnen wird, kann genauso gut durch Kohleverbrennen erzeugt werden; und wer noch Brennstäbe findet, kann sie bei Robert abgeben – schließlich und endlich ist nun neben Erdgas auch Atomkraft in der EU nachhaltig.

Als in den 80er Jahren die Verteidigung der Steinkohle noch so opportun war, wie sie es für die vergleichsweise uneffektive Braunkohle gerade wieder wird, brachte die DKP Ruhr-Westfalen eines ihrer schönsten Plakate heraus, auf dem eine Zeche und die Losung „Alles Gute kommt von unten – Kohle statt Atom“ zu sehen war. Solange die Meiler noch nicht wieder hochgefahren wurden, könnten wir damit die Weltrettung feiern.

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"Kohle statt Atom", UZ vom 15. Juli 2022



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