Warum es niemandem schadet, zumindest temporär bei Union zu spielen

Köpenicker Kaderschmiede

Kolumne vom stehplatz aus betrachtet von Ulrich Peters

Wechseln Spieler von Union zu anderen Vereinen, verfolge ich ihren Werdegang meist erst mal weiter. Schließlich bleiben sie ja Unioner, obwohl sie nun andere Farben tragen, und mein Interesse an diesem oder jenem Verein kann schnell wachsen oder abnehmen, je nachdem, wie viel Köpenicker DNA dort eingeflossen ist. In der 2. Bundesliga gab‘s zuletzt regelrechte Hotspots, an denen sich die Ex-Eisernen tummelten (z. B. in Braunschweig und bei Schalke), und wenn es sich ergab, dass der gebeutelte Stadtrivale Hertha von solch gefühlter Reservevertretung des eigenen Klubs abgeschossen wurde, war die Freude natürlich umso größer. Allerdings könnte sich die Klarheit der Emotionen langsam etwas eintrüben, wenn man bedenkt, dass die Alte Dame nicht bloß die Bodenhaftung wiedergewonnen, sondern sich auch eine kleine Portion Union gegönnt hat: Bei Trainer Fiel und Kapitän Leistner steckt sehr viel Köpenick in der Vita.

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In den Jahren der Zweitklassigkeit Unions (2009 – 2019) war derlei kaum von Belang. Klar, es gingen regelmäßig Spieler zu anderen Vereinen. Aber man hatte selten das Gefühl, dass sie denen großartig ihren Stempel aufdrückten und ihre Karriere vorankam. Außerdem kickten nur wenige erstklassig, wie etwa Chinedu Ede (in Mainz), der US-Nationalspieler Bobby Wood (beim HSV) oder Steven Skrzybski (bei S04), der dann doch wieder im Unterhaus bei Kiel landete, um erst jetzt aufs Sonnendeck zurückzukehren. Vor fast 15 Jahren habe ich miterlebt, wie er als smarter Abiturient seine ersten Schritte im Profifußball ging; heute gilt er dem „Kicker“ als Routinier. Man wird halt älter.

Überhaupt steckt mittlerweile ziemlich viel Union in der Bundesliga, denn anderen Vereinen ist nicht verborgen geblieben, dass an den Ufern der Wuhle nicht nur so mancher Spieler zum gestandenen Bundesligaprofi gereift ist, sondern dass hier besonders auf charakterliche Festigkeit und mentale Stärke gesetzt wurde – Sekundärtugenden, die durchaus gefragt sind auf dem Markt. Derweil findet man sie beinahe allerorten, die Überflieger der Vorjahre: in Dortmund (Ryerson und N. Schlotterbeck) und Hoffenheim (Prömel, Bülter und Lenz), in Augsburg (K. Schlotterbeck) und sogar bei Meister Leverkusen (Andrich). Rob war ja ausdrücklich als Mentalitätsspieler in die BayArena gelotst worden, was sich prompt auszahlte und mich zu dem Fazit bringt: Hätten die Bayern nicht so arrogant über Union hinweggesehen, sondern die Kaderschmiede leergekauft, hätten sie letzte Saison nicht auf die Meisterschale verzichten müssen. Tja, sowas kommt von sowas!

Das Beispiel Rob, der inzwischen sogar in der DFB-Auswahl als „Aggressive Leader“ figuriert, führt mich direkt zu den wackeren Heidenheimern (von wo aus jener nämlich einst zu Union kam). Mir scheint, dass sich dort gerade ähnliches zuträgt wie vorher im Berliner Südosten: der erstmalige Aufstieg ins Oberhaus, der souveräne Klassenerhalt und die geradewegs sensationelle Qualifikation für den Europapokal (im Proleten-Format als „Conference League“) mit der quasi marktgesetzlichen Folge des kontrollierten Aderlasses, der aber – Stand jetzt – leichterhand kompensiert worden zu sein scheint. Jedenfalls spielen die umtriebigen Offensivleute Kleindienst, Dinkci und „König Drosselbart“ Beste jetzt andernorts, was der Truppe aber gar nichts ausmacht. Mögen sie es noch ein Weilchen genießen, der Dämpfer kommt dann irgendwann ganz von selbst.

Nachdem Union in der Vorsaison einige prominente Spieler verpflichtet hatte, aber dann recht erfolglos blieb (das eine ist nicht der Grund für das andere), hoffe ich nun auf einen neuen Anlauf mit einigen jungen Spielern wie Leopold Querfeld, Tom Rothe oder Aljoscha Kemlein, die in der neuen Spielzeit hoffentlich viel Freude bringen werden und eines Tages vielleicht mal Champions League spielen – bei welchem Verein auch immer. Eisern Union!

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"Köpenicker Kaderschmiede", UZ vom 11. Oktober 2024



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