Benjamin Netanjahu hat eine Schwäche für Karten und Bilder. Vor der UN-Generalversammlung trat er einmal mit einer Zeichnung auf, die die Karikatur einer Bombe zeigte. Sie sollte das iranische Atomprogramm symbolisieren. Ein anderes Mal zeigte er eine Karte Israels „From the River to the Sea“. Palästina: Fehlanzeige. Nun zeigt der offizielle Account Israels auf X provokativ – und unter Protesten der Nachbarländer – eine neue Karte: Israel und Judäa in biblischen Grenzen. Es umfasst Teile Jordaniens, Syriens, des Libanon und natürlich der Westbank. Mit der Beschriftung: „Wussten Sie, dass das Königreich Israel vor 3.000 Jahren existierte?“ Ich wusste es – und weiter?
Netanjahu verglich vor den Vereinten Nationen Israels Krieg mit dem Kampf des späteren Königs David gegen Goliath. Vielleicht meinte er damit sogar sich selbst. Aber mit König David kann man nicht unbedingt Staat machen, denken wir nur an die Falle, die er dem Offizier Urija stellte. Im 2. Buch Samuel steht: „In den Augen des HERRN aber war böse, was David getan hatte.“ Und davon abgesehen: Ein Königreich vor 3.000 Jahren begründet kein Recht auf ein Königreich und Besatzungspolitik heute.
Tatsächlich hält es Israel mehr mit Mao als mit Jahwe: Die (politische) Macht kommt aus den Gewehrläufen. Und da hat Israel im Krieg um Palästina Erfolge aufzuweisen. Die alte Führungsriege der Hamas und Hisbollah getötet, Waffenstillstand im Libanon, Gaza zerstört, israelische Truppen in Syrien. Aber sind diese Erfolge die Kosten wert? Die Kämpfe in Gaza und die Angriffe der Ansar-Allah dauern an, die Einwohner des Nordens zögern, in die Grenzgebiete zurückzukehren, die Schifffahrt durchs Rote Meer ist eingeschränkt. Und die Spaltung innerhalb des Landes ist mit dem Krieg nicht überwunden, sondern nur verdeckt.
Damit ist die biblische Landkarte nicht nur eine Drohung an die Nachbarn Israels, sondern auch der Versuch, mit dem Rückgriff auf die biblische Geschichte die nationale Identität Israels zu stärken.
Und sollte wirklich der alte jüdische Gott Israel dieses Land versprochen haben, wie in der Karte gezeigt? Für Eroberung und Besatzung sind allein der heutige israelische Staat und seine Unterstützer verantwortlich. Denn Gott ist vermutlich kein Immobilienhändler wie Trump, der Ländereien ankauft und verteilt.