Morgens in Köln-Sülz, Euskirchener Straße 21, vor dem Haus warten 30 Personen. Einer von ihnen ist Dr. Paul Bachmann, der Sohn von Alice (1914 bis 1942) und Kurt Bachmann (1909 bis 1997). „Wird hier eine Wohnung besichtigt?“ fragt ein Passant. Nein, der Künstler Gunter Demnig verlegt zwei Stolpersteine für seine Eltern. Claudia Wörmann-Adam von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die die Verlegung angeregt hatte, und Klaus Stein von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Köln sprechen.
Alice war 21 und Kurt 26 Jahre alt, als sie 1935 heirateten. Beide stammen aus jüdischen Familien. Kurt ist Lederarbeiter, Gewerkschafter und seit 1932 Mitglied der KPD, nach 1933 im Widerstand. Er sorgt für die Verteilung von Flugblättern, die er von holländischen Rheinschiffern übernimmt. 1938 emigriert das Paar nach Südfrankreich. 1939 wird Kurt von der französischen Polizei als feindlicher Ausländer verhaftet. Er kann fliehen, arbeitet in Toulouse im Rahmen der illegalen Leitung der KPD bis 1942.
„Am 9. September 1942 wurde ich von der Gestapo an die Stelle gebracht, wo die Menschen deportiert wurden. Und alle zwei oder drei Tage wurde ein Zug mit tausend Menschen gefüllt. Am dritten Tag kam ich zusammen mit meiner Frau in Kosel/Oberschlesien an. Die Türen wurden aufgerissen. Männer raus, zwischen 15 und 55. Wir wurden dann aufgeteilt auf verschiedene Lager. Der Rest des Zuges, Alte und Junge und Frauen, darunter auch meine Frau, fuhren in den Tod. Ich bin ihm entkommen. Der Grund: Die faschistische Armee hatte schwere Verluste. Ich wusste, dass der Krieg nicht ein Blitzkrieg, sondern ein Dauerkrieg würde, der Arbeitssklaven brauchte. Und wir kamen dann in ein Lager, in dem wir arbeiten mussten“, erzählt später Kurt Bachmann. Alice wird in Auschwitz umgebracht, wie Kurts Eltern und Schwester. Er selbst durchläuft diverse Konzentrationslager und kommt schließlich nach Buchenwald. Nach der Befreiung am 11. April 1945 kehrt er nach Köln zurück. Dort gehört er zu den Gründern der VVN, arbeitet von 1950 bis zum Verbot der KPD in deren Parteivorstand. Nach der Neu-Konstituierung der DKP wird er zum Bundesvorsitzenden gewählt und bleibt dies von 1969 bis 1973.
Klaus Stein erinnerte in seiner Rede an das Jahr 1992, als in Deutschland 27 Ausländer und Flüchtlinge ermordet wurden. Im August dieses Jahres setzte ein johlender Mob in Rostock-Lichtenhagen einen Wohnblock in Brand, in dem Vietnamesen untergebracht waren. Gleichzeitig plante man die Abschaffung des Asylrechts.
Am 9. November 1992, dem Jahrestag der Pogromnacht, demonstrierten über 20.000 Menschen in Köln dagegen und die Musiker von „Arsch huh, Zäng ussenander“ gaben ein Konzert auf dem Chlodwigplatz. Kurt Bachmann sprach auf der Kundgebung vor der Oper:
„1992 ist nicht 1933. Aber es ist auf dem Weg dahin. Heute brennen täglich Ausländerheime. Junge Neofaschisten sind diesmal die Brandstifter. Was heute auf dem Spiel steht, sind alle Grundrechte unserer Verfassung, konkret das Recht auf politisches Asyl. Noch nie traten Neonazis, Skinheads und ihre Mitläufer so gewalttätig und organisiert auf. Offensichtlich besteht die Gefahr, dass eine bundesweite Befehlsstruktur aus bestehenden neofaschistischen Organisationen entsteht. Die Rechtskonservativen in den Regierungsparteien betreiben eine Politik der Aushöhlung unantastbarer Grundrechte unserer Verfassung. Dabei wird ein Zusammenspiel mit rechtsextremen Kräften sichtbar. Die Übergänge sind fließend. Eine demokratische, antifaschistische Bewegung, die Bündelung all dieser Kräfte – dies ist das Gebot der Stunde.“