Wer gedacht hatte, dass die katastrophale Niederlage des Werte-Westens in Afghanistan zu etwas mehr Realismus und etwas weniger Aggressivität führen würde, sah sich umgehend eines Besseren belehrt. Die EU-Außen- und Verteidigungsminister, unter der Initiative von Heiko Maas und Frau Kramp-Karrenbauer, zogen bei ihren Treffen in Slowenien aus ihrem Desaster in Afghanistan nicht den Schluss, Ähnliches in Zukunft zu vermeiden, sondern trommelten für kommende Kriege. „Die Europäer“, so die deutsche Kriegsministerin, hätten „gegen die Entscheidung der USA zum Abzug kaum Widerstand geleistet, weil wir mangels eigener Fähigkeiten keinen leisten konnten“.
20 Jahre „War on Terror“ sind AKK nicht genug. Dort, wo eine zeitweise auf 130.000 Mann angewachsene und mit modernstem Kriegsgerät hochgerüstete US/NATO-Armee gescheitert ist, will sie mit ihrer EU-Kamarilla also gewinnen. Die USA interventionistisch rechts überholen möchten vor allem die „militärischen EU-Schwergewichte“ Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien. Und wenn es ums Kriegführen geht, sind auch die Briten mit an Bord. Im Unterhaus fühlt man sich durch den Abzug der US-Amerikaner zutiefst „betrogen“. Tory oder Labour, das macht auch da kaum einen Unterschied.
Man müsse „auf Augenhöhe mit den USA“ kommen, legte sich die deutsche Kriegsministerin ins Zeug. Die seit langem geforderte schnelle und schlagkräftige EU-Eingreiftruppe einer „Koalition der Willigen“ müsse endlich her. Von 5.000 bis 20.000 Soldaten ist in den Medien die Rede. Vorbild sei hier die „NATO-Speerspitze“, die gegen Russland in Stellung gebracht worden ist. Zwar gebe es seit 2007 nationale Battle-Groups, allerdings seien die EU-weite Abstimmung sowie die notwendigen effizienten Abstimmungs- und Kommandostrukturen schwer herstellbar. Bislang habe es keinen EU-Einsatz dieser Kräfte gegeben. Europa müsse „militärische Schlüsselfähigkeiten“ erwerben, um ein „leistungsfähiger Verbündeter“ zu werden, verkündete der spanische „Sozialist“ und amtierende EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Selbstredend kam es keinem in den Sinn, etwas Mitgefühl für die von ihnen verursachten 200.000 Toten oder die Millionen Afghanen aufzubringen, die man mit dem Krieg in die Flucht getrieben hatte. Heiko Maas & Co. formulierten stattdessen Bedingungen, welche die Taliban zu erfüllen hätten, damit man in Zukunft überhaupt mit ihnen reden und möglicherweise auf die Verhängung von Sanktionen, Destabilisierungen, Blockaden und ähnlichen Mitteln der nichtmilitärischen Kriegführung verzichten würde. Afghanistan droht nach dem Abzug der milliardenschweren Korrumpierungs- und Kollaborationsstrukturen, welche die „westlichen“ Besatzer in den letzten 40 Jahren etabliert hatten, eine ökonomische und soziale Katastrophe. So etwas will man natürlich nicht verhindern, sondern ausnutzen.
Es konnte aufmerksamen Beobachtern nicht entgangen sein, dass die EU-Militär- und Rüstungsstrukturen seit geraumer Zeit die Pleiten und Niederlagen der US/NATO-Einsätze, wie auch die seit Donald Trump unverkennbar gewordene Risse im Bündnis, als Begründung für die Aufrüstung hin zu einer eigenständigen weitreichenden Einsatzfähigkeit zu nutzen versuchen. Dieser abenteuerliche Kriegskurs ist nicht unumstritten. Widerstand kommt vor allem von den baltischen und osteuropäischen Staaten, welche die US-Unterstützung für ihre eigenständige Rolle in der EU nutzen. Daher die Beschränkung auf die „Koalition der Willigen“. Aber wie auch immer und mit welcher neuen Bundesregierung auch immer: Es wird teurer und gefährlicher, wenn sich „unten“ kein Widerstand regt.