Harte Arbeit, schlecht bezahlt

Knochenjobs

Von Ulf Immelt

In Zeiten technologischen Fortschritts und zunehmender Digitalisierung würde die Arbeit leichter und schwere körperliche Tätigkeiten abnehmen, ist eine häufig zu vernehmende These von sogenannten Experten aus Wirtschaft und Politik. Der DGB hat hierzu die wirklichen Experten befragt, nämlich die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben. Die Ergebnisse dieser bundesweiten repräsentativen Befragung im Rahmen des „DGB-Index Gute Arbeit“ sind alarmierend: Für viele Beschäftigte bleibt ihre Arbeit trotz allen technologischen Fortschritts ein Knochenjob. Rund ein Drittel der Lohnabhängigen in der BRD verrichtet regelmäßig körperlich schwere Arbeit. Mehr als die Hälfte muss oft in ungünstigen Körperhaltungen arbeiten. Ständiges Sitzen, Lasten heben, Arbeiten über Kopf oder in der Hocke gehören für diese zu ihrem Arbeitsalltag.

Körperlich harte Arbeit ist nicht nur für Menschen, die in der Produktion oder auf dem Bau arbeiten, traurige Realität. Gleiches gilt auch für viele Dienstleistungsbereiche. Die Pflege oder der Verkauf sind hierfür nur zwei Beispiele. Entsprechend sind Frauen fast genauso stark oder häufig belastet wie Männer. Ein weiteres Ergebnis der Befragung ist, dass körperlich schwere Arbeit besonders oft von Menschen geleistet wird, die ohnehin unter schwierigen Verhältnissen wie Schicht- oder Leiharbeit arbeiten.

Der Schulabschluss spielt hinsichtlich harter körperlicher Arbeit eine zentrale Rolle. Während von den Beschäftigten mit Abitur nur 12 Prozent sehr häufig oder oft davon betroffen sind, sind es bei den Lohnabhängigen mit Hauptschulabschluss 52 Prozent.

Anders als in den ehemaligen sozialistischen Staaten, wo gefährliche und harte körperliche Arbeit in Relation zu den Durchschnittsgehältern aller dort arbeitenden Menschen – nicht nur finanziell – besonders wertgeschätzt wurde, zeichnet sich unser kapitalistisches Wirtschaftssystem durch das genaue Gegenteil aus. In der Gruppe der Geringverdiener mit einem Einkommen zwischen 800 und 2 000 Euro brutto im Monat müssen 42 Prozent körperlich hart arbeiten. Bei Einkommen ab 4 000 Euro pro Monat trifft das nur auf 6 Prozent der Beschäftigten zu.

Weitere Erkenntnisse der DGB-Befragung sind, dass körperlich harte Arbeit mit insgesamt mehr Hetze am Arbeitsplatz verbunden ist und dass die Beschäftigten weniger Respekt und Wertschätzung erfahren. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Kolleginnen und Kollegen, die regelmäßig hart arbeiten, ihren Gesundheitszustand schlechter einschätzen als andere und daher häufiger davon ausgehen müssen, nicht bis zum gesetzlichen Rentenalter arbeiten zu können.

Zusammenfassend zeigt die DGB-Studie eindrucksvoll, dass technologischer Fortschritt, wenn er nicht mit sozialem Fortschritt verbunden ist, zwar die Profite der Kapitaleigner erhöht, aber nicht zwangsläufig zu einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen der arbeitenden Menschen führt.

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"Knochenjobs", UZ vom 12. Juli 2019



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