Zahlreiche Kommunen in Deutschland sind pleite. Die Folgen der aktuellen Krise sind noch immer nicht beziffert und die kommunale Infrastruktur liegt mit einem Sanierungsstau von knapp 140 Milliarden Euro am Boden. Zugleich kommen gewaltige Herausforderungen auf die Städte und Gemeinden zu: Im Kampf gegen den Klimawandel müssen neue Strukturen geschaffen, Gebäude saniert und Verkehrswege umgebaut werden. Die bereits stattfindenden klimatischen Veränderungen rufen nach Anpassungsmaßnahmen. Der Investitionsbedarf ist riesig und die Kommunen müssen im Schnitt knapp 60 Prozent aller öffentlichen Investitionen in Deutschland schultern. Wie soll das funktionieren?
Es ist wenig überraschend, dass diese verfahrene Lage ausgenutzt wird, um Privatisierungen voranzutreiben. Die Argumente sind seit Jahrzehnten dieselben: Private Unternehmen sollen angeblich schnell und günstig leisten, was der behäbige Staat nicht schafft. Dass die Langsamkeit des Staates eine Folge jahrelanger Sparzwänge ist, wird dabei ebenso verschwiegen wie die Tatsache, dass die günstigeren Preise aus verschärfter Ausbeutung resultieren oder von vorneherein Mogelpackungen sind. Auch der staatliche Kontrollverlust und die Aushebelung der demokratischen Selbstverwaltung sind den neoliberalen Apologeten häufig nur ein müdes Lächeln wert oder werden sogar offensiv gefordert. „Verselbstständigung“ ist hier das Zauberwort und meint die Regulierung von öffentlichen Aufgaben durch den Markt. Alles, was keinen Profit abwirft, fällt dabei selbstredend unter den Tisch.
Der jüngste Vorstoß in dieser Richtung nennt sich „Initiative Nachhaltige Infrastruktur Deutschland“. Dahinter stehen der „Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft“, der „Hauptverband der Deutschen Bauindustrie“ und der „Bundesverband Öffentlicher Banken“. Diese drei großen Lobbyverbände gehen mit einem gemeinsamen „Impulspapier“ in die Offensive. Ihr Ziel: mehr privates Kapital in der kommunalen Infrastruktur. Dafür sollen „kooperative Partnerschaftsmodelle“ forciert werden. Die Verbände fordern mehr Fördermittel für Öffentlich-Private Partnerschaften (ÖPP), die Aufweichung von Vergabeverfahren und eine „enge Abstimmung aller Projektbeteiligten – vom Bauherrn über die Bauindustrie und den Nutzern bis hin zu den Kapitalgebern“. Von demokratischen Entscheidungen, Ratsbeschlüssen und Bürgerbeteiligung ist im gesamten Papier nicht die Rede. Dafür lesen sich einige Forderungen so, als wären sie direkt dem monopolkapitalistischen Gruselkabinett entsprungen. So sollen „durch Fondslösungen kleinere und mittlere Infrastrukturprojekte“ gebündelt werden, „um für institutionelle Investoren attraktivere Losgrößen zu schaffen“.
Der gesamte Vorstoß beunruhigt nicht nur durch das hier versammelte Kapital, sondern auch dadurch, dass die kommunalen Spitzenverbände die Initiative unterstützen. Das mag daran liegen, dass die handelnden Akteure ein authentisches Interesse am Ausbau der Infrastruktur haben. Die Bauwirtschaft erwartet eine Flut von Aufträgen. Die Versicherungen sehen ihre Felle davonschwimmen, wenn zukünftig häufigere Starkregenereignisse auf marode Kanäle treffen und ungekannte Versicherungsschäden auslösen. Die öffentlichen Banken wollen neue Anlagemöglichkeiten. Anstatt mehr Geld für die Gemeinden zu fordern, wird der marktorientierte Umbau der Kommunen vorangetrieben. Finanziert werden soll dies durch mehr Fördermittel des Bundes oder der Länder. Die kommunale Ebene wird zum handlungsunfähigen Durchlauferhitzer für das öffentliche Geld auf dem Weg in die private Hand. In diesem Szenario ist es dann auch wohlfeil, wenn die Lobbyisten einen Wettbewerb um die „besten Umsetzungsvarianten“ fordern. Sie können ja nur gewinnen.
In der aktuellen Ausgabe: „Linke Kommunalpolitik vorantreiben“, Interview mit Vincent Cziesla