Vom 6. bis 12. Oktober 2019 findet der 24. Ordentliche Gewerkschaftstag der IG Metall statt. Die UZ sprach zu Beginn des Gewerkschaftstages mit Uwe Fritsch über seine ersten Eindrücke und Erwartungen.
UZ: Der Kongress tagt nun knappe zwei Tage. Was haben die Delegierten bisher geleistet?
Uwe Fritsch: Neben der Eröffnung und der Konstituierung und den mündlichen Ergänzungen des Berichtes des Vorstandes an die Delegierten gab es die ersten Diskussionen zum Rechenschaftsbericht. Wir brauchen diese Debatte. Sie hat gezeigt, dass wir unsere Verantwortung für Klimaschutz und gleichzeitig zur Beschäftigungssicherung sehr ernst nehmen. Weiter war deutlich zu spüren, dass wir den Kampf um die Angleichung der Arbeitszeiten, der Löhne und der Lebensbedingungen in Ost und West, und zwar nicht nach unten, sondern an das jeweils bessere Niveau weiterführen müssen. Das Klimapaket, erklärte Jörg Hofmann, belastet die Beschäftigten weitaus mehr. Deswegen stellt die IG Metall die Forderungen zur Finanzierung des Klimapaketes und zur Ergänzung des Klimapaketes in Richtung Spitzensteuersatz auf. Auch dass das Thema Vermögensteuer wieder angepackt wird, habe ich im Rechenschaftsbericht von Jörg gehört. Ich glaube, das ist schon mal zumindest für die Eröffnung die richtige Linie.
UZ: In dem Antrag der Entschließung zur Gesellschaftspolitik erklärt der Vorstand der IG Metall, dass unsere Gesellschaft zunehmend ungerechter wird. Das Armutsrisiko beispielsweise sei in Deutschland heute höher als je zuvor. „Das Wachstums- und Wohlstandsversprechen der Sozialen Marktwirtschaft erreicht viele Menschen nicht mehr.“ Die Mitbestimmung sei auch in der aktuellen Transformation effektiv und sei zu stärken. Wo siehst du Möglichkeiten und Grenzen der Mitbestimmung, um Antworten auf diese sozialen Fragen zu finden?
Uwe Fritsch: Ich erlebe bei Volkswagen in Braunschweig, dass der Umbruch der Automobil- und Zulieferindustrie sehr oft von der Angst der Belegschaften um ihre Arbeitsplätze begleitet ist. Und da ist der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen, wie wir ihn seit 1996 bei VW haben, und durch den Zukunftspakt, verlängert bis 2030, eine Voraussetzung für eine aktive Gestaltung des Wandels. Wir brauchen mehr Geld aus den Gewinnen der Konzerne für die Entwicklung alternativer umweltfreundlicher Produkte, und das geht nur bei voller Mitbestimmung der Belegschaften und der Betriebsräte, was wer wie wo und wann produziert.
UZ: Die IG Metall steht vor der Aufgabe, Umweltschutz und Sicherung der Arbeitsplätze beispielsweise bei euch in der Automobilindustrie zusammenzubringen. Wie kann das aus deiner Sicht gelingen?
Uwe Fritsch: Diese Aufgabe ist komplex, und ob das gelingen kann, hängt davon ab, ob wir für die Beschäftigten der größten Branche in der Bundesrepublik, also auch des größten und mitgliederstärksten Bereichs der IG Metall, auf ihre berechtigten Fragen auch die richtigen Antworten finden. Wenn wir in Zukunft andere Produkte fertigen sollen statt der Autos und Komponenten, ist die Frage: Welche? Wer bezahlt die Investitionen für die neuen Maschinen und Anlagen? Und wer garantiert, dass im Kapitalismus die neuen Produkte dann auch erfolgreich verkauft werden? Es ist höchste Zeit, diese Fragen nicht nur zu stellen, sondern auch gemeinsam darauf Antworten zu entwickeln.
UZ: In einer Reihe von Anträgen wird an das antifaschistische Bekenntnis der IG Metall angeknüpft und eine Unvereinbarkeit von Funktionären der AfD mit der Mitgliedschaft in der Gewerkschaft gefordert. Warum hat jetzt diese Forderung einen so hohen Stellenwert und wie siehst du diese Anträge?
Uwe Fritsch: Jörg Hofmann hat unter großem Beifall aller Delegierten sehr deutlich für die IG Metall gesagt: Wer hetzt, fliegt! Das ist und bleibt Kern der IG-Metall-Politik. Allerdings, ein Unvereinbarkeitsbeschluss hat aus meiner Sicht keine Mehrheit auf diesem Kongress. Es muss also um die inhaltliche Auseinandersetzung beispielsweise mit der AfD gehen.
Wir müssen unseren Kolleginnen und Kollegen, die auf die Demagogie, auf die Hetze auch bei Wahlen angesprungen sind, das wahre Gesicht der AfD zeigen, das neoliberale Gesicht, das eine rassistische Fratze zeigt. Darum geht es, und ich glaube, das können wir mit den Anträgen und mit der Diskussion um diese Anträge erreichen. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Kolleginnen und Kollegen, die aktive Gewerkschafter sind, die zum Beispiel 24-Stunden-Streiks im Osten mitgemacht haben und die vielleicht mit der AfD nicht nur sympathisieren, deutlich wird, dass diese Partei erstens keine Alternative für Gewerkschafter und zweitens schon gar keine politische Alternative in den Herausforderungen dieser Zeit ist.