Massenbelastungen und kaum Lenkungswirkung • Kolumne von Beate Landefeld

Klimapolitik schwarz-gelb-rot-grün

Die im Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) vorgesehene CO2-Bepreisung in den Sektoren Verkehr und Gebäude gilt seit 1. Januar 2021. Sie beträgt vorerst 25 Euro pro Tonne CO2, die von den Inverkehrbringern auf die Endverbraucher umgelegt werden dürfen. Infolgedessen stieg der Benzinpreis bereits um 6 Cent pro Liter. Bis 2025 soll der Preis laut BEHG auf 55 Euro pro Tonne steigen. Die Grünen fordern 60 statt 55 Euro pro Tonne und ein Vorziehen des Anstiegs auf 2023. Damit steige – so Annalena Baerbock im Interview mit der „Bildzeitung“ – der Benzinpreis um weitere 10 Cent auf insgesamt 16 Cent. Das sind 0,5 bis 0,7 Cent mehr als bisher geplant.
Die Fraktionsvorsitzende der „Linken“, Amira Mohamed Ali, nahm Baer-bocks Ansage als „unerträgliche Arroganz“ gegenüber den Nöten von Menschen mit kleinen Einkommen wahr. Es handle sich um Klimapolitik für Besserverdienende. In der Tat belasten Verbrauchssteuern am stärksten Geringverdiener. Ihre Lenkungswirkung für den Klimaschutz ist zudem minimal, da Gutverdiener, die den größeren ökologischen Fußabdruck haben, sie verkraften. Für schon Abgehängte sind sie eine zusätzliche Bedrohung. Da hat Amira Mohamed Ali völlig recht. Pure Heuchelei ist es aber, wenn FDP, CDU/CSU und SPD sich an ihre Schelte dranhängen.

CDU/CSU, SPD und Grüne beschlossen das BEHG im Bundestag gemeinsam, um den EU-Emissionshandel, dem die Sektoren Energiewirtschaft und Industrie unterliegen, national auf die Sektoren Verkehr und Gebäudewirtschaft auszudehnen. Damit kamen sie der „Wirtschaft“ entgegen, die „marktkonforme“ und „weiche“ Lenkungsmethoden wie die CO2-Bepreisung gegenüber Verboten oder Staatsinterventionen bevorzugt. Das ist auch die Linie der FDP, die nur wegen immanenter Kritik gegen das BEHG stimmte, ansonsten aber die lauteste Gegnerin jeglicher Eingriffe des Staates in die „Freiheit“ des privaten Unternehmertums ist.

Der „marktkonforme“ Handel mit Verschmutzungsrechten ermöglicht die geräuschlose Abwälzung der Kosten des ökologischen Umbaus auf die Massen bei maximaler Schonung und Subventionierung der Profite. Er lenkt ab von nötigen Investitionen in Alternativen wie den Ausbau des ÖPNV für die Mobilitätswende, in eine sozial-ökologische Stadt- und Regionalentwicklung, in öffentlichen und genossenschaftlichen Wohnungsbau mit bezahlbaren Mieten. Die Klimapolitik der vier neoliberalen, miteinander „regierungsfähigen“ Bundestagsparteien tut dem Großkapital nicht weh, verfehlt die selbstproklamierten Klimaziele und belastet die Massen spürbar.

Dass in jüngster Zeit von einem „sozialen Ausgleich“, von „Energiegeld“ oder „Bürgergeld“ die Rede ist, um Arme – meist verniedlicht als „Härtefälle“ – zu entlasten, ist nicht mehr als ein Alibi. Ließ nicht gerade die CDU-Bundestagsfraktion einen Koalitionskompromiss platzen, der Vermieter verpflichten sollte, die durch die CO2-Steuer steigende Mehrbelastung bei den Heizkosten zur Hälfte mitzutragen? Nicht anders wird es dem „Energiegeld“ gehen, das Annalena Baerbock vor sich herträgt. Es wäre im Übrigen viel zu wenig, um die Welle von Preissteigerungen, die längst im Gange ist, auszugleichen. Und als Hartz-IV-Partei werden die Grünen das „Energiegeld“ bei Koalitionsverhandlungen mit der CDU nicht zum Junktim machen.

Wie auf allen anderen Feldern des Klassenkampfs werden die Lohnabhängigen im Zuge des ökologischen Umbaus nur das bekommen, was sie selbst erkämpfen. Die Koalitionen der neoliberalen NATO-Parteien, ob Kenia, Jamaika oder Ampel, werden nichts tun, was die Profite der Konzerne und der Reichen schmälert. Der sozial-ökologische Umbau zum Schutz von Menschen und Klima muss gegen die Profitinteressen des Großkapitals durchgesetzt werden. Darüber wird vorrangig im außerparlamentarischen Kampf entschieden, nicht per Wahlzettel.

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"Klimapolitik schwarz-gelb-rot-grün", UZ vom 11. Juni 2021



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