Zum Recht auf eine Deutsch-dominierte EU

Kleinstaatendiktat

Der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen, von 1999 bis 2004 unter anderem für die Erweiterung der Europäischen Union zuständig, hat dem SPD-nahen IPG-Journal gesagt, dass er den Beitritt von zehn Staaten 2004 immer noch für einen großen Erfolg hält. Verheugen redet nicht darüber, wie sich jene Staaten dadurch veränderten, sondern bezieht sich nur auf die Tatsache der Erweiterung an sich.

So lässt sie sich auch besser begreifen als das, wozu sie nicht unbeträchtlich diente: Diesen Staaten andere politische Optionen zu entziehen. Dafür wurde Jugoslawien zerhackt und wegbombardiert; und 2014 wurde der Maidan-Putsch maßgeblich von EU-Granden unterstützt. Darunter der damalige SPD-Außenminister, bei dem heute als Bundespräsident jeder Meinungsaustausch mit ukrainischen Politikern zum Meinungsaustausch führt.

Nun weiß Verheugen, dass ein EU-Beitritt der Ukraine zum Sargnagel für das ganze Projekt werden kann und führt neben den Kosten und der Frage, welche „politische und territoriale Gestalt“ das Land irgendwann haben wird, drei ukrainische Kernprobleme an, von denen zwei eigentlich Kreml-Propaganda sind: Korruption, Oligarchenmacht und radikale Ultrarechte. Auch für die nächste Erweiterungsrunde, in der es um die Bruchstücke Jugoslawiens geht, schwant Günter Verheugen Ärger: „Kann man sich eine Kommission mit 37 Mitgliedern oder mehr vorstellen, von denen sieben aus dem ehemaligen Jugoslawien kämen, aber nur eines aus Frankreich?“ Statt Frankreich hätte er ehrlicherweise Deutschland nennen können, aber vielleicht war es nicht opportun, den Urheber des Dilemmas zu erwähnen. So oder so: Es brauche eine institutionelle Reform, um die Funktionsfähigkeit der EU zu erhalten.

Verheugen findet es unlauter, Deutschland eine mit Montenegro gleichwertige Stimme zuzumuten – und wer weiß, ob diese Erkenntnis auch noch zu einer weiteren führt. Denn in den Vereinten Nationen könnte es einem Land wie China ungerecht vorkommen, dass es 2,3-mal größer als die EU ist, aber in den UN nur ein Siebenundzwanzigstel von deren Einzelstimmen hat – und auf die Idee kommen, ein paar Dutzend (ebenfalls sozialistisch ausgerichtete und immer mit Peking stimmende) Kleinstaaten zu verselbstständigen. Aber solche Trickserei ist sicher etwas anderes als das Recht auf eine Deutsch-dominierte EU.

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"Kleinstaatendiktat", UZ vom 10. Mai 2024



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