Allem Anschein nach kommt Volkswagen in der Abgasaffäre mit einem blauen Auge davon. Neue Software und ein neues Bauteil sollen die Motoren sauberer machen. Experten zeigen sich überrascht und warnen vor neuen Problemen. Die Deutsche Umwelthilfe spricht von einem Placebo-Effekt.
Nach Angaben von Zeit Online (25. 11. 15) reicht bei den meisten Fahrzeugen, deren Ausstoß von Stickoxiden (NOx) zu niedrig angegeben wurden, das Einspielen neuerer Software aus. Bei den anderen betroffenen Fahrzeugen genüge es, ein Bauteil einzusetzen.
Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) hat laut diesem Bericht auch den Umbauplänen für einen großen Teil der manipulierten Dieselautos bereits zugestimmt. Ab Anfang kommenden Jahres können nun rund 8,2 Millionen Wagen mit 1,6- und 2,0-Liter-Motoren in der Werkstatt so eingestellt werden, dass sie die vorgegebenen Grenzwerte einhalten. Im Falle der Dieselmotoren mit 1,6 Litern Hubraum in Europa reicht nach offiziellen Angaben ein zusätzliches Bauteil aus, das voraussichtlich nicht mehr als zehn Euro kosten wird. Dieses sei neben der Aktualisierung der Software nötig und ermögliche es der Motorsteuerung, den Kraftstoff besser zu dosieren. Für die 5,2 Millionen Fahrzeuge mit 2,0-Liter-Motor reicht nach Konzernangaben allein ein Software-Update aus.
Warum das neue Bauteil anscheinend erst jetzt entwickelt wurde, begründete VW mit dem Fortschritt in der Motoren- und Softwareentwicklung der vergangenen Jahre. Heute sei es sehr viel einfacher, Abläufe im Motor am Computer zu simulieren. Es handele
„simple aber kompliziert zu erfindende“ Lösung.
sich um eine „simple aber kompliziert zu erfindende“ Lösung, sagte VW-Konzernsprecher Hans-Gerd Bode laut Zeit Online.
Diese „simple“ Lösung könnte allerdings dazu führen, dass der Spritverbrauch der Fahrzeuge ansteigt. „Wenn sich die Stickoxidwerte verbessern, muss sich mindestens ein anderer Wert verschlechtern“, gab sich Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen gegenüber dem Onlinemagazin heise.de (26. 11. 15) sicher. „Alles andere wäre die Quadratur des Kreises.“
Das wird vom Motoringenieur Jörn Getzlaff von der FH Zwickau bestätigt: „In erster Linie könnte der Verbrauch steigen.“ Damit stehen neue Probleme bei Volkswagen auf der Tagesordnung: „Es gibt Urteile, die besagen, der Verbrauch auf dem Prüfstand darf nicht um mehr als zehn Prozent über dem Wert liegen, den der Hersteller angibt“, sagte Getzlaff. VW-Sprecher Bode gibt sich derweil optimistisch, dass dem Autobauer die Quadratur des Kreises doch gelingen könnte. VW sei „dem Ziel, keinen Mehrverbrauch oder gar Leistungseinbußen zu haben, nahe“.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) übt an der scheinbar einfachen und billigen Lösung heftige Kritik. Volkswagen präsentiere eine Placebo-Lösung, heißt es in einer Mitteilung. Einmal mehr versuche Europas größter Autokonzern, Politik und Verbraucher für dumm zu verkaufen, erklärte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. „In den USA rechnet VW für dieselben Motoren mit mehreren hundert Euro Kosten für den Einbau wirksamer Katalysatoren sowie fünf bis zehn Stunden Arbeitszeit pro Fahrzeug.“ Für einen Teil der Fahrzeuge halte VW die Instandsetzung der Abgasreinigung für technisch nicht machbar und will die Fahrzeuge zurückkaufen. „Mit einem Plastikteil für zwei Euro fünfzig wird es nicht gelingen, die Motoren vergleichbar sauber zu bekommen wie in den USA.“
Die Umweltorganisation fordert nun das Kraftfahrt-Bundesamt dazu auf, sicherzustellen, dass die Dieselfahrzeuge von VW, Audi, Skoda, Seat und Porsche nach der Nachrüstung die NOx-Grenzwerte auch auf der Straße einhalten. Inzwischen hat sie ein Rechtsverfahren gegen das KBA eingeleitet, um überhaupt Einsicht in die Rückrufverfügung und insbesondere in die technischen Unterlagen zu erhalten. Das KBA will die Einsicht aber erst gewähren, wenn dem Volkswagen zustimmt. Die DUH hat angekündigt, notfalls auch per Gericht dafür zu sorgen, „dass eine wirksame Nachrüstung der betroffenen Fahrzeuge angeordnet wird“.
Allerdings, das muss betont werden, ist keine schnelle Lösung in Sicht. In Europa muss sich Volkswagen auch keineswegs bemühen, „die Motoren vergleichbar sauber zu bekommen wie in den USA“. Innerhalb der Europäischen Union gelten im Vergleich zu den USA recht laxe Grenzwerte – wofür Deutschland und andere Länder mit Standorten von Automobilkonzernen gesorgt haben (UZ berichtete am 6. November). Ab kommendem Jahr dürfen hierzulande Dieselfahrzeuge noch 168 Milligramm NOx pro Kilometer ausstoßen und ab 2020 sind es immerhin noch 120 Milligramm. Zum Vergleich: In den USA dürfen auf einer Meile (1,6 Kilometer) nur 40 Milligramm Stickoxide ausgestoßen werden.